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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Springer, Jaro: Die graphische Ausstellung in der Berliner Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0131

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Die graphische Ausstellung in der Berliner Akademie.

IVO

sonders akademisch'wirkenden Linienstiche vereinigt sind,
denen als verspätete Äußerungen einer altvaterischen
und heute überwundenen Kupferstichmanier eine führende
Rolle doch nicht mehr zukommt. Als wertvollste Rcpro-
duktionskunst tritt der Kupferstich, die Radierung und
ihre Nebenarten uns in dieser Ausstellung zunächst ent-
gegen. Nicht Schöpfungen eigener Erfindung, sondern
Kompositionen anderer Künstler wiederzugeben, war
immer eine Hauptaufgabe des Kupferstichs. Wenn die
Photographie und andere mechanische Reproduktionsarten
diese Thätigkeit des Kupferstechers auch beschränkt haben,
so wird die künstlerische Wiedergabe eines Bildes ihm
doch immer anvertraut bleiben. Einen wesentlichen
Reiz gewinnen diese Reproduktionen von Gemälden durch
die Umwertung der Farben in Abstufungen von Schwarz
zu Weiß. Der ältere Linienstich, wie ihn würdige
Akademiker noch heute üben, hat auf die Erzielung einer
farbigen Wirkung nie besonderes Gewicht gelegt. Ihnen
kam es mehr auf exakte Wiedergabe der Umrisse und
Formen an. Man wird an diesen Kupferstichen älterer
Manier nicht gleichgültig vorübergehen, wenn der gegen-
wärtige Geschmack sie auch nicht ohne einigen Grund
zum alten Eisen geworfen hat. Einmal standen sie
höher im Wert, und sie waren das, was Freunde alt-
väterischer Kunst, denen alles Moderne als umstürzlerisch
anrüchig-ist, gern edlen-Zimmerschmuck nennen- Stiche
nach Raffaels Madonnen mit riesigem Papierrand und
schmaler Goldleiste über dem rotbraunen Plüschsofa
aufgehängt, in der Ecke ein verstaubter Gipsabguß nach
einem antiken Apollo oder einer Venus, das war die
übliche Wanddekoration der- gebildeten Familie noch vor
30 Jahren. Diese Dekorationselemente wurden abgelöst
durch das Makartbouquet und die orientalischen Läppchen,
ich weiß doch nicht, ob so sehr viel Besseres eingetauscht
wurde. Wenn diese Stiche in alter zeichnender Manier
auch einen gewissen Wert noch heute haben, so wird
man doch eine schulgemäße Vermehrung dieser Art
Kupferstecher nicht für zeitgemäß und auch nicht für
wünschenswert halten können. Von den ausgestellten
Stichen der älteren Richtung verdienen die Arbeiten von
Louis Jacoby besondere Beachtung. Seine „Schule
von Athen", nach Raffael, die so sehr geschätzt wird,
bringt die freilich zerfahrenen Farbenwerte des Originals
doch nicht zur Anschauung und ist mehr die Reproduk-
tion eines korrigierten Aquarells nach dem Fresko als
des Freskogemäldes, selbst. Seine neuere Arbeit, die
„Hochzeit des Alexander und der Roxane" nach Sodoma,
glücklicherweise auch kleiner im Format, wird wenigstens
an moderne Kunst gewöhnte Augen mehr befriedigen.
Seinen weichen Strich und seine sichere Zeichnung lehren
die Porträts nach eigener Zeichnung gut kennen.. Ein
kleines Blättchen hat, mir noch besonders gefallen, der
Stich nach einem Bronzekopf des Donatello im Berliner
Museum. Ich habe Jacoby in keiner andern Arbeit so
malerisch gefunden. Hans Meyer ist vielseitiger, nicht
nur in der Anwendung der verschiedenen Kupferstich-
techniken und seinem künstlerischen Charakter nach nicht
so Raffaelstecher wie Jacoby., Aber diese Vielseitig-
keit gereicht ihm nicht zum Vorteil, und was er au
guter Schulung aufgegeben hat, hat er keineswegs an
modernem Sinn gewonnen. Sein Stich nach Raffaels
„Poesie" ist durchaus nicht hervorragend. In seinen
Originalradierungen gewinnt er am meisten Sympathien,

wenn sich in seinen eigenen Erfindungen (so in seinen
Totentanzbildern) auch die zahme Flauheit Berliner
Herkunft zu erkennen giebt. Louis Stang steht aber
noch unter ihm. Sein „Abendmahl" nach Leonardo da
Vinci entspricht keineswegs dem jahrelangen Fleiß, hen
er auf die Arbeit verwendet hat. Das Blatt, trotz
seiner hohen Schätzung namentlich in theologischen Kreisen,
steht weder als Reproduktion noch technisch als Kupferstich
sonderlich hoch. Eine tüchtige, solide Kraft ist I. L. Raab,
mehr aber als Radierer denn als Stecher. Sein Stich
nach Raffaels „Madonna Tempi" ist doch etwas sehr
langweilig ausgefallen. Seine Radierungen nach alten
Bildern der Pinakothek sind aber wirksame Reproduk-
tionen, wenn sie auch von dem raffinierten Reiz neuerer
Radierungen noch weit entfernt sind. Für die trockene
nnd korrekte Berliner Kupferstechkunst ist Gustav Eilers
ein weiteres charakteristisches Beispiel. Je nach der Art
der Vorlage glückt ihm die Wiedergabe mehr oder
weniger. Sein strenger Stich nach Holbeins Bildnis
des Kaufmanns Gysze in der Berliner Galerie steht,
wenn auch das vielfache Gerät im Hintergrund weit
selbständiger wirkt als im Original, entschieden höher
als sein Stich nach Rubens „Heiliger Cäcilie", der an
das warme Kolorit des Bildes doch wenig erinnert.
Auch darin ist die Ausstellung lehrreich, daß sie die Un-
zulänglichkeit des altväterischen Linienstichs gegenüber den
heutigen gesteigerten Anforderungen der malerischen
Wiedergabe zeigt.' Technisch ist von vornherein die
Radierung dazu mehr geeignet, aber nicht in der Hand
eines jeden giebt sie ihre besten Wirkungen her. Die
neue malerische. Richtung der reproduzierenden Radierung
ist bei uns durch William Unger eingeführt worden,
der schon vor etwa 30 Jahren anfing, alte meist hollän-
dische Bilder umzuwerten und der damit Wirkungen er-
reichte, die damals größeres Erstaunen erregten als heute,
wo wir uns noch an ganz andere Effekte der künstlicher
gewordenen Radierkunst gewöhnt haben.. Unger hat in
seiner erstaunlich fruchtbaren Thätigkeit nicht nachgelassen
und verfügt heute über eine freie und leichte Radier-
technik. Sein großes Blatt, „Die Söhne des Rubens", vom
Jahre 1891 ist ,ein hervorragendes Zeugnis seiner geist-
vollen Jnterpretationskunst alter Bilder. Karl Köpping
überragt Unger in..der farbigen Wirkung. Köpping hat
sich eine rücksichtslose, Technik ausgöbildet, die die Farbe
bewältigt, indem sie jedem Pinselstrich folgt. So souverän
sind d.ych noch nie dje technischen Mittel der Radierung
beherrscht und jo, original npch^nie die farbige Erscheinung
alter Bilder in der Radierung festgehalten worden.
Das Erscheinen seiner „Staalmeesters" nach Rembrandt
(1887) bedeutet geradezu ein Ereignis in der Geschichte
der reproduzierenden Radierung. Feiner vielleicht noch
folgt Köpping in dem Schützenstück des Frans Hals dem
hellgemalten Vorbilde. Vielfach hat Köpping nach mo-
dernen Malern radiert, nach Munkacsy, einmal auch nach
Max Liebermann, und daß ihm das geglückt ist, ist wohl
die beste Probe auf seine nie versagende technische Sicherheit.

Unter den Maler-Radierungen (eigenen Erfindungen
des Radierers) der Ausstellung finden sich vielfach
Blätter solcher Künstler, die sonst auf andern Gebieten
thätig sind und nur gelegentlich zur Radiernadel greifen,
die gewissermaßen also als Dilettanten radieren. Die an-
scheinend leichte Handhabung der Radierung hat gerade
die Maler gern zu eigenen Versuchen gelockt. Nur
 
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