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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Adelung, Sophie von: Cornelius Schwämmlein, [2]: Umrisse in Pech-Schwarz gezeichnet
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0160

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Umrisse in pech-5chwarz gezeichnet von S, v. Adelung.

zuckte es wie verhaltenes Lachen und in den dunklen
Augen leuchtete etwas auf, so Frohsinniges, Übermütiges,
daß Cornelius nach einigen vergeblichen Versuchen er-
klärte: „Wir wollen lieber sehen, wie es sich macht,
wenn die Augen niedergeschlagen sind, Fräulein Berger,
das heißt, wenn es Ihnen nicht zu mühsam ist, und Sie
es einmal probieren wollen — darf ich bitten?"

Und er bezeichnte mit großer Umständlichkeit und
vielen Entschuldigungen die Stelle am Boden, welche sie
fixieren sollte. Minna errötete, lachte, errötete dann
wieder und heftete ihren Blick auf den ge-
wünschten Punkt. Sie sah noch viel lieblicher
aus mit ihren gesenkten weißen Lidern und
dem kindlichen Ausdruck, nun ihre Augen
nicht mehr umherschweifen konnten und schon
nach wenig Augenblicken stahl sich ein Zug
um ihre Mundwinkel, der Cornelius in den
siebenten Himmel versetzte. — Es schadete
nicht, daß sie zwischen hindurch zuweilen mit
den Wimpern zuckte und ein klein wenig
nach ihm aufblinzelte. Es wurde ihm nicht
leicht, das Mädchen zu malen, ihm, der nie
eine menschliche Figur über Zollhöhe ge-
zeichnet. Aber es mußte, es sollte gelingen

— Cornelius fühlte die Schwingen des Genius
in sich wachsen, er hörte ihr Rauschen —
und er wußte — diesmal würde er siegen.

Minnas Stimme riß ihn jäh aus seiner
Entzücklhcit „Wollen wir nicht ein bißle aus-
ruhen, Herr Schwämmlein?" fragte sie.

Ach Himmel! Ans Ausruhen hatte
Cornelius gar nicht mehr gedacht. „Jawohl,
jawohl" beeilte er sich hervorzustoßen: „ich

— das heißt, entschuldigen Sie — ja natür-
lich, sofort!"

Er schob ihr hastig und ungeschickt seinen
einzigen Lehnstuhl herbei, bat sie, Platz zu
nehmen und setzte sich dann ihr gegenüber
auf das Podium, wobei nun an ihn die
Reihe kam, den Blick niederzuschlagen, denn
Minna ließ ihre dunklen Augen so beharr-
lich auf ihm ruhen, daß er sich bald nicht
mehr zu helfen wußte und ruhelos im Atelier
auf und ab zu gehen begann, hier einen
Stuhl rückend, dort eine Farbe zurecht legend.

Er war es so gar nicht gewohnt, mit Frauen
zu verkehren, daß er durchaus nicht wußte,
wie er seinen Gast unterhalten sollte. Zudem
riß ihn Minna durch ihr Geplauder voll-
ständig aus seinem Künstlertraum, und er war
froh, als sie endlich von selbst aufsprang, sich mit einem
gewaltigen Gähner auf ihren Platz begab und fragte:
„Jst's so recht?" „Ganz recht", beeilte er sich zu sagen:
„d. h. wenn Sie die linke Schulter ein wenig heben, den
Kopf etwas mehr nach rechts drehen und sich im ganzen
noch etwas zu mir wenden wollten, Fräulein — Fräulein—"

„Ach sagen Sie doch einfach Minele zu mir",
meinte sie: „die Maler thun es alle, und ich bin's schon
einmal so gewöhnt."

Minele!!! er sollte „Minele" zu seiner Melancholie
sagen — es war unerhört! Cornelius schauderte, wie
man vor einer Blasphemie schaudert, und nahm sich vor,
sein Modell womöglich nie direkt anzureden.

>23

Es gelang ihm auch nach und nach durch sein be-
harrliches Schwelgen, die Redseligkeit des Mädchens zu
dämpfen. Die nächste Sitzung verlief schon viel besser.
Minele schien sich in ihre Rolle zu fügen und stand so
sinnig und regungslos vor ihm, daß Cornelius sich ganz
seinem Schaffen hingeben konnte. So ging es ein drittes
und ein viertes Mal, aber das, was in ihm lebte und
webte, wollte noch immer nicht zur Wirklichkeit werden
und je mehr sich Cornelius abquälte, je steifer und
hölzerner wurde der Ausdruck in den gemalten Zügen.

Heute sollte ihm Minele wieder stehen, er wollte das
feine Gesicht noch schärfer fixieren, Präziser festhalten.
Zeichnung und Ausdruck waren noch nicht richtig, das
fühlte er ganz gut. Vielleicht pinselte er zuviel daran
herum, wenn sein Modell fort war, und die Zeichnung,
ja, die mußte notwendig nach dem Leben gemacht werden.
Aber wenn nur sie erst glücklich überwunden, dann war
sein Bild ein Meisterwerk der Originalität und Stimmung.
Mochten sie dann kommen, die Tausende von Beschauern
aller Nationen, ihm war nicht bange — sein Bild be-
zwang sie alle. Minele erschien und bei ihrem Anblick
überkam es Cornelius mit einem ehrfurchtsvollen Schauer:
so, ja ganz genau so lebte sie in seiner Phantasie —

ttz'

Herbsttag, von G. Bester.
 
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