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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Preis-Aussreiben - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur u. vervielf. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0204

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ünnstlitteratnr und vervielf. Annst.


* Mit einem bedeutenden Werke ist vor kurzem der Radierer
Ernst Moritz Geyger, der jetzt wieder in Berlin wohnt, an
die Öffentlichkeit getreten, einer Radierung nach Botticellis „Früh-
ling" in der Akademie zu Florenz, Sandro Botticelli, der
Phantasie- und gemütvolle Meister des 15. Jahrhunderts, darf
in unseren Tagen wieder auf besondere Wertschätzung rechnen
und ist ausführlich in einem interessanten und wissenschaftlich
wertvollen Buche von Or. H. Ulmann behandelt, das
mit 12 Vollbildern und 20 Textillustrationen reich aus-
gestattet ist. (Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft,
München. 16 M.) Ulmann giebt auch die erst seit
kurzem bekannte richtige Deutung des interessanten Bildes
wieder, das Geyger radiert hat. Sandros sogenannter
„Frühling", ein Gegenstück zur Venus, ist eine Illu-
stration zu den Versen Polizians in der Giostra, wo
das Reich der VenuS geschildert wird: im Mittelgründe
steht Venus, eine Gestalt von bestrickendem Liebreiz; links
führen die Grazien einen Reigen auf, während Hermes die
Wolken verscheucht; rechts die Göttin des Frühlings
blumenstreuend und Flora, deren Munde bei der Um-
armung des Westwindes Blumen entsprießen. Uber dem
Haupte der Venus schwebt Amor, der mit verbundenen
Augen stammende Liebespseile abschießt. Mag uns die
Allegorie der Flora mit dem von Blumen überfließenden
Munde etwas frostig erscheinen, so ist doch das Bild sonst
von so hoher Schönheit, daß es noch heute seines Ein-
drucks nicht verfehlt. Der Geygersche Stich ist in der
Sorgfalt und Feinheit der Durchbildung ein wahres
Wunderwerk zu nennen. Jede der tausend Blüten und
Blätter am Boden und in den Orangenbäumen des
Hintergrundes ist ein Kunstwerk für sich und aufs
sauberste durchgeführt. Nicht weniger als sechs Jahre hat
Geyger an der Platte gearbeitet, und zwar nach dem
Bilde in Florenz selbst, nach Photographien und nach
Aktstudien, die er gemacht hat, um Botticelli gewisser-
maßen zu kontrollieren. Das Dresdener Kupferstich-
kabinett besitzt neben dem Stiche eine dieser Studien. Der
Geygersche Stich gehört zu den hervorragendsten Werken
des Grabstichels in unserem Jahrhundert. Er wird
hoffentlich dazu beitragen, Sandro Botticelli, dem Bvcklin
des 15. Jahrhunderts, in noch weiteren Kreisen Anerkennung
und Liebe zu erwecken. Moa;

cr „Allgemeines Künstler-Lexikon." Leben
und Werke der berühmtesten bildenden Künstler. Dritte,
umgearbeitete und bis auf die neueste Zeit ergänzte Auf-
lage, vorbereitet von Hermann Alexander Müller,
herausgegeben von Hans Wolfgang Singer. Erster
Halbband (Aachen—Cossin). (Frankfurt a. M. Litterarische
Anstalt, Rütten L Loening, 1894. 8°. M. 6,30.) In
18 Bogen (288 Seiten) liegt der erste Halbband eines
Werkes vor uns, das als ein Bedürfnis von jedermann,
der sich mit Kunst beschäftigt, erkannt werden muß. Denn,
nachdem die neue Auslage des Naglerschen Künstlerlexikons
nach dem dritten Bande aufhörte, weiter zu erscheinen, fehlte es an
einem Lexikon, das, bis zur Gegenwart fortgeführt, uns einen kurzen
Überblick über das Leben und die Werke der berühmtesten Künst-
ler aller Zeiten bieten konnte. Die beiden vorhergehenden Auf-
lagen des vorliegenden Werkes befriedigten nicht alle An-
forderungen, die an ein derartiges Buch gestellt werden können,
und auch in diesem Halbband dürste hie und da manches besser
gemacht sein. Der Herausgeber, der erst vom achten Vogen ab
an die Stelle des früheren Bearbeiters trat, und der außerdem
bei dem schnell fortschreitenden Drucke ein fertiges Manuskript
benutzen mußte, mag dies selbst gefühlt haben, wie aus seiner
Vorbemerkung zu ersehen ist. Hieraus und aus dem Umstande,
daß die Herausgabe nun in den Händen eines jungen, rührigen
Museumsbeamten liegt, der durch seine tägliche Thätigkeit er-
kennen kann, was einem solchen Werke not thut, werden wir mit
Sicherheit annehmen können, daß die künftigen Bände an Gründ-
lichkeit und Brauchbarkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Die
kleinen Mängel dieses ersten Halbbandes können am Schluffe des
ganzen Bandes leicht berichtigt und ergänzt werden. Vielleicht
entschließt sich die Verlagshandlung, der man zum Danke für
diese neue Auflage verpflichtet sein muß, die in den früheren

Auflagen bei den einzelnen Artikeln befindlichen Monogramme
am Schluffe des Werkes auf besondere Tafeln beizufügen, eine
Zugabe, die für manche Benutzer von großem Werte^ sein
dürfte.

l?. Ut. „Anselm Feuerbach" von I. Allgeyer.
(Bamberg, Buchnersche Verlagshdlg., 8 M.) Unter den^deutschen
Malern der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts nimmt Feuerbach
doch einen der ersten Plätze, d. h. gleich neben Makart und Böcklin,
ein, obwohl er es im Leben nie zu so glänzenden Erfolgen wie
diese brachte. Ja, dieses Leben ist sogar eine ununterbrochene
Kette der schmerzlichsten Ablehnungen, die er von seiner Nation
erfuhr, und die zuletzt mit Notwendigkeit zu einem tragischen












LrL-












Ausgang führen mußten. Kann man das leicht dadurch erklären,
daß er eben der letzte in der langen Reihe der antikisierenden
Künstler war, die wir von Mengs und Carstens an bei uns oder
vielmehr in Italien, das sie alle der Heimat vorzogen, gesehen,
ja hat man gerade heute weniger als je Verständnis oder Sym-
pathie für solche Richtung, so kann man doch den edlen Geist
bedauern, der sich ihr ergab. Glücklicherweise aber hat der sonst
unter seinen Kollegen wenig beliebte Meister doch einen treuen
und verständnisvollen Freund gefunden, es ist Julius All>
geyer, dem wir das schöne Buch verdanken, welches unS den
Mann und sein tragisches Schicksal mit wahrhaft rührender Liebe
und warmherzigem Verständnis schildert. Daß es uns zugleich
alle bedeutenderen Werke Feuerbachs in recht guten Autotypien
mitteilt und uns so zu eignem Urteil in den Stand setzt, das
kann seinen Wert nur erhöhen. Werden wahrscheinlich die meisten
finden, daß Allgeyer den dahingeschiedenen Freund etwas über-
schätze, so ist das wohl das Los der meisten Biographen;
ohne diese Hochschätzung würden sie ja gar nicht zu ihrer Arbeit
gekommen sein. Üeberdies hat man auch rechtes Verständnis nur
sür das, was man liebt. (b8«7s
 
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