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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Seidlitz, Woldemar von: Neues aus Dresden, [2]: Karl Mediz und Emilie Mediz-Pelikan
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0218

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Neues aus Dresden.

Frau Emilie Mediz-Pelikan, gleich ihrem
Manne aus Österreich stammend, hat früher Landschafts-
bilder von feinem, der Natur wohl abgelauschtem Tone,
jedoch mit einer gewissen Hinneigung zu allgemeiner Ge-
staltung gemalt; in den letzten Jahren aber hat sie sich
einem eindringenden Studium der Natur in ihren Ein-
zelheiten, sowohl auf dem Gebiete der Landschaft wie
auf dem des Bildnisses, hingegeben, ohne dabei den Blick
für das Ganze und dessen künstlerische Abrundung zu
verlieren. Hier hat vielleicht eine Einwirkung von der
andern Seite stattgefunden, die bisweilen so weit geht,
daß die Werke des Künstlerpaares nur mit Mühe und
erst nach eingehender Betrachtung von einander unter-
schieden werden können.

Mag aber auch infolge solcher Wechselwirkung eine
starke Ausgleichung erfolgt sein, so besitzt die Frau doch
— wie anderseits der Mann das seine — ihr besonderes
Gebiet, wofür sie, den Anlagen ihres Geschlechts ent-
sprechend, vornehmlich ausgestattet ist, und das sie mit
einer Energie, die als eine wahrhaft männliche bezeichnet
werden kann, ausbaut. Wo es nur in der Natur üppig
wuchernd blüht, wo Pflanzen und Sträucher sich in bunte,
leuchtende, brennende Farben kleiden und dicht gedrängt
ganze Flächen überziehen oder zu einer phantastisch-märchen-
haften Stimmung sich mischen: da ist die Künstlerin
hinterher, emsig wie eine Biene den berauschenden Duft
aus diesen Wuchergebilden der Natur zu saugen und da-
durch dem Beschauer neue, kaum geahnte Offenbarungen
zu bieten. Während sie dabei das feine Gewächs der
Pflanzen bis in seine einzelnen Windungen und Ver-
schlingungen verfolgt, vergißt sie jedoch — wie gesagt —
nie, die Gesamtwirkung straff zusammenzuhalten. Das
eine Mal schildert sie eine böhmische Ebene bei warmer
Abendbeleuchtung, eine endlose Fläche, aus der — gleich-
wie auf dem bereits erwähnten Bilde des Mannes — nur
vereinzelte Obstbaumstämmchen emporragen: der ganze
Boden aber ist in ein weißes Blütenmeer verwandelt,
das in wirkungsvollster Weise durch Inseln hochauf-
schießenden blauen Natternkopfes, zwischen den sich leuch-
tendroter Mohn mischt, belebt wird. Dann wieder sehen
wir einen von mildem Licht durchfluteten jungen Laub-
wald, dessen Boden von weißen Schierlingsblumen über-
wuchert ist, zwischen die sich wiederum einige gelbe Pflanzen
drängen. Selbst der trocknen Vegetation der Düne weiß
die Künstlerin neue Reize abzugewinnen. Da giebt es
gemeinen Ginster, der unter dem Schein des rötlich be-
leuchteten Mondes in tiefer Bernsteinfarbe erglüht; oder
hochaufschießende Pflanzen von hell-gelber Farbe, die
mit einer Kraft wuchern, welche man dem dürren Sand-
boden kaum zuzutrauen Pflegt.

Mag nun die Farbenpracht, wie bei dem Manne,
aus der Art der Beleuchtung, oder, wie bei der Frau
zumeist, aus der Natur der Gegenstände selbst geschöpft
sein: immer ist sie energisch und berauschend; und so
selten sich solches auch den Blicken gewöhnlicher Menschen-
kinder offenbaren mag: das Auge des Malers weiß jene
Stellen zu finden, wo zeitweise thatsächlich das Paradies
auf Erden blüht, versteckt und abseits vom Strome des
Lebens, aber doch vorhanden.

Von diesen Landschaftsbildern, die ohne die Farbe
nicht zu wirken vermögen, konnte hier keine ausreichende
Probe gegeben werden. Aus den Bildnissen aber geht
das geschildertes innige Zusammenarbeiten des Künstler-

näherer Erwägung aber zeigt sich doch, daß das, was
den Vorzug der Landschaften von Karl Mediz ausmacht,
durchaus in den gleichen Eigenschaften wurzelt, die
seinen Bildnissen den besonderen Reiz verleihen: dort
wie hier ist es die unendliche Liebe zur Natur, die un-
begrenzte Ehrfurcht vor ihr, die ihn das künstlerisch Dar-
stellbare mit allen Fibern seines Geistes erfassen läßt,
dafür ihn aber auch davor bewahrt, irgend nicht dazu
Gehörendes hinzuzufügen. Ter wohlthätige Einfluß des
weiblichen Elements dürste sich vornehmlich nur darin
zeigen, daß der Künstler hier zur rechten Zeit seinem
Drang, der Natur bis in alle Einzelheiten zu folgen,
Einhalt geboten hat.

vandschastsstudir. von Karl Mediz.
 
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