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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Ein Skandal im Luxemburg-Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0235

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Lin Skandal iin Luxembourg-Museum.

Musikkapelle aus dein Mittelalter, von L. Kammer.

Maler — die übrigens auch seine besten Freunde waren.
Der Bootbauer war früher selbst Maler gewesen, hatte
ziemlich viel Talent gehabt, aber doch wohl nicht so viel,
um auszuharren. Dahingegen sammelte er Bilder von
Degas, Manet, Monet, Renoir, Pissarro, Sisley,
sie wurden sein Besitz, er sonnte sich in ihrem Anblick,
und in seinem Testamente schrieb er, die Bilder vermache
er dem Staate.

Dem Staate vermachte er sie zwar, doch mit der
Bedingung, daß sie in dem Luxembourgmuscum zu sehen
sein sollten. Sie sollten eben „zu sehen" sein, nicht,
wie etwa um, wenn sie der bayerischen Regierung ver-
macht worden wären, in Schleißheim, sondern in München
betrachtet werden zu können. Und das hielt schwer! Die
Freunde ahnten es schon, der mit der Erledigung des
Testamentes betraute Freund erfuhr es aufs bestimmteste,
und auch der verstorbene Bootbauer — Caillebotte war
der Name des Guten — scheint es beinahe vorausgesehen
zu haben.

Dennoch aber berührt eine selbst erwartete Dumm-
heit immer noch überraschend, und es ging durch die
Kreise der Pariser Sammler ein Staunen, daß die
Direktion des Luxembourg so halsstarrig sei. Freilich
ist es nicht Urteilsschwäche schlechtweg und allein gewesen,
sondern Energielosigkeit gegenüber den usurpierenden
Wünschen der Akademie, die in den Malern von Talent
immer noch ihre geborenen Widersacher in Frankreich sieht,
wodurch der gegenwärtige Direktor des Pariser Luxem-
bourg-Museum sein Land und seine Stadt um eine
wertvolle geschenkte Kollektion gebracht hat.

Diese Akademie oder vielmehr ihre stimmleitenden
Mitglieder spritzen noch immer jenes Gift aus, über das
sich schon Rousseau und Millet zu beklagen hatten,
und über das Corot geklagt haben würde, wenn er
nicht zu urban für Klagen gewesen wäre. Die Akademie
ist in Frankreich ein Götze, sie erhält sich durch den Aber-
glauben der Massen, und der Direktor des Luxembourg ist
ihr so unterthan, daß man ihn einen Priester dieses Götzen
nennen kann. Verbrechen auf Verbrechen hat die Akademie
gehäuft — wenn man im ästhetischen Sinne von Ver-
brechen reden kann; sie hat talentübersprudelnde Leistungen
zurückgewiesen; sie hat in Frankreich selbst, als eine neue
gesunde Kunst Wurzel faßte, den Glauben an Rom und
die römische Schule gepredigt; sie hat W atte au gelästert,
sie lästerte den Baustil der Louis XV. und Louis XVI.,
sie lästerte die gewaltige Kunst Milleks, das süße
Genie eines Corot, und sie begriff nicht den Atem des
Lebens, der in den Gebilden eines Rodin zu Tage tritt,
weil diese Akademie Schulmeister des Zeichnens, Malens
und Bildhauens zu ihren Mitgliedern gemacht hat, und
ihre Pforten den großen Künstlern am liebsten ver-
schloß, nur notgedrungen sie ihnen öffnete, und wenn sie
eingetreten waren, sie zum Schweigen und zum Mangel
jeglichen Einflusses verdammte.

Der neue Beschluß aber, die wunderschöne Caille-
bottesche Sammlung nicht aufzunehmen, ein Beschluß, der
formell vom französischen Staatsrat gefaßt wurde,
geradenwegs indessen aus den Wünschen der Akademie und
mithin des Galeriedirektors hervorging, setzt den rückwärts
und ins Kleinliche und Triviale gekehrten Bestrebungen
 
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