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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Ausstellungen und Sammlungen - Personal- u. Atelier-Nachrichten - Denkmäler - Vermischte Nachrichten - Kunstlitteratur u. vervielf. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0256

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Ausstellungen und Sammlungen.

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). 8. Berlin. Die „Münchener Freie Vereinigung" hat
zu ihrer diesmaligen Ausstellung bei Gurlitt eine Anzahl aus-
wärtiger Künstler aus Belgien, Dänemark und Finnland ein-
geladen. Wir lernen einige sehr merkwürdige Leute kennen. Die
seltsamste Erscheinung darunter ist der Däne I. F. Willumsen.
Was Willumsen malt, gehört zu
den Bildern, vor denen die Phi-
lister in Heller Wut aufschäumen und
zornig die Fäuste ballen. So wurden
die Bilder auch hier ausgenommen,
und wegen des ähnlichen Eindrucks
auf das Publikum wurden sie mit
Munch und Toorop verglichen. Viel
hat Willumsen mit diesen aber nicht
gemein. Nicht allein, weil er den
Philistern mißfällt, möchte ich bei
ihm verweilen, und auch nicht, weil
ich etwas besonderes über ihn zu
sagen vermöchte. Ich verstehe ihn
nicht ganz, und die über ihn
schimpfen, sind ihm kaum an Ver-
ständnis besonders nähergerückt.

Gerade deswegen sollte man im
Tadel vorsichtig sein. Wer eben
fähig ist, Grimms Märchen zu ver-
stehen, der wird die Wahlverwandt-
schaften nicht begreifen, und der
wird die Kritik der reinen Vernunft
gewiß für ein verrücktes Buch halten.

Wer etwas Neues will, den schelten
die Thoren leicht einen Narren. Ich
halte Willumsen nicht für einen
Raffinierten, sondern für einen
Naiven. Was er malt, ist Jdeen-
und Programmalerei. Er giebt auch
Erklärungen zu den Bildern. Da-
runter findet sich freilich manches,
was uns viel zumutet. So die
Erklärung: „Aussicht über einen
Hügel. Studie von der Mannig-
faltigkeit und Gleichförmigkeit in der
Natur. Ein Wolkenschatten huscht
unten vorbei " Oder: „Darstellung
einer Ornamentik, gebildet aus
Wolken und Bäumen zwischen
Bergen, welche mit echten Kastanien
bewachsen sind. . ." Auf das Ein-
zwängen der Natur in ornamentale
Formen kommt es Willumsen haupt-
sächlich an. Diese Auffassung läßt
sich aus der wesentlich dekorativ be-
stimmten modernen Kunst unschwer
herleiten. Anderes ist Willumsen vom
Japanismus und vom Symbolis-
mus zugeflogen. Auf einem Bilde,
es ist vielmehr ein flaches Relief,
ist eine goldene Gemse mit Flügeln
und Schwimmfüßen angebracht; sie
soll die laufenden, fliegenden und
schwimmenden Tiere in einem Wesen
vereinigt darstellen. Diese Gemse hat
die Leute ganz aus dem Häuschen
gebracht. Sie ist ja freilich verwunderlich. Aber die gefeierte
antike Kunst hat Pferde mit Flügeln, Pferde mit Schwimmfüßen,
Menschen, deren Beine in Schlangen endigen, erfunden. Diese
Gebilde sind doch keineswegs organischer als Willumsens Gemse.
Willumsens in Ornamentabbreviaturen aufgelöste Natur sagt auch
mir nicht viel, aber es dämmert mir so, als ob hier etwas läge,
was zu einer neuen Kunstauffassung führen könnte. Solchen
Keimen bin ich schon häufig begegnet, aber immer noch fehlte
die starke Persönlichkeit, die neuen Keime großzuziehen. Auch
Willumsens Hände werden sich nicht stark genug erweisen, das
Neue energisch und gedeihlich weiter zu entwickeln. Der andere
dänische Gast, L. Find, ist ganz anderer und einfacherer Art.

Er hat zwei Porträts ausgestellt, darunter ein vortreffliches Selbst-
bildnis. Der Finnländer Axel Gallen hat ein höchst merk-
würdiges Bild unter dem Titel „Problem" ausgestellt. Vier
junge Freunde sitzen bei Mondschein an einem Tisch, ein auf-
regendes Gespräch hat sie offenbar die lange Nacht beim Weine
zusammengehalten. Eine phantastische Erscheinung ist ihrem
Tische nachgekommen, das altägyptische Symbol der geflügelten
Sonnenscheibe. Nur die Flügel der Erscheinung ragen in das
Bild hinein. Hinten am Himmel sieht man eine blutrote Wolke.
Auch hier weiß ich nicht recht, was mit dem Bilde erreicht werden

Von drr Riviera, von Gustav Schön leb er.

sollte. Natürlich mehr als vier sinnende Freunde am Knech-
tisch. Die düstere Phantastik vermag es wohl, die Gedanken
auf dieselben Wege zu leiten, auf die die vier Problematiker ihr
grüblerischer Sinn geführt hat. Das hat der bloße Naturalismus
nicht fertig gebracht. Aber es ist eine Frage, ob damit nicht etwas
erreicht ist, was schließlich außerhalb der Kunst liegt. Die belgischen
Gäste sind diesmal von geringerer Bedeutung, ich möchte nur
A. Ciamberlanis schöne Rötelzeichnung eines Bogenschützen
erwähnen. Die Hauptkosten der Ausstellung tragen schließlich
doch die Münchener Mitglieder der Vereinigung. W. Trübner
hat drei Damenbildnisse ausgestellt, darunter gefiel mir besonders
das der schwarzgekleideten Dame vor dunklem Grund wegen der

Die Aunst für Alle X.

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