Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Franz von Defregger: zu seinem 60. Geburtstag, am 30. April 1895
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0266

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
X. Jahrgang. Heft 14.

iA. April 1895.

»- tzeraupgegeüen von Friedrich Wechr

„Tie Kunst für Alle" erscheint in halbmonatlichen Heften von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bilderbeilagen in Umschlag geheftet. Bezugspreis im
Buchhandel oder durch die Post (Reichspostverzeichnis Nr. 3883, daher. Verzeichnis Nr. 441, k. u. k. österr. Zeitungsliste Nr. 1851) 3 M. 60 Pf. für das Vierteljahr

(6 Hefte); das einzelne Heft 75 Pf.

Franz von Defregger.

Zu seinem 60. Geburtstag, am 30. iKpril 1895.

vom Herausgeber.

M

^er ist ein großer Künstler? Derjenige, welcher eine
neue Welt entdeckt oder gar aus dem Nichts hervor-
gerufeu hat ... . Ist das der Fall, so muß jedermann
heute darüber einig sein, daß Franz von Defregger als
Bauernmaler ein solcher großer Künstler sei, da er in der
That uns eine vollkommen neue Welt erobert hat. Wer-
das etwa noch nicht wissen sollte, der möge nur die von
uns heute gebrachten Bilder, vorab die beiden Meisterwerke
des „Letzten Aufgebots" und der „Heimkehr der Sieger"
genau betrachten — er wird sofort sehen, daß dieser abge-
schlossene Tiroler Volksstamm nie vorher auch nur entfernt
so verherrlicht worden ist. Er wird aber auch zugeben müssen,
daß diesen Bildern in der ganzen zeitgenössischen Produktion
dieser Art nichts von gleicher Wahrheit, Kraft und Schönheit
an die Seite zu setzen sei. Ohne Zweifel haben Knaus,
Enhuber, Vautier den deutschen Bauer anderer Landschaften
ebenso frappant, ja bisweilen vielleicht noch malerisch reiz-
voller oder doch pikanter geschildert. Aber verstanden und
geliebt hat diesen Bauer keiner von ihnen auch nur ent-
fernt so, wie der erst selbst aus diesem Stand herausge-
wachsene Meister. Sie alle sind Städter und betrachten den
Bauer mit dem Auge des Städters, ein klein wenig von
oben herab, während er das Ideal des Tiroler Meisters
bleibt, der seinerseits weit eher auf den städtischen Philister
herabsieht. Dreißig Jahre ununterbrochenen Lebens in der
Großstadt haben diese Betrachtungsweise unseres Meisters
eigentlich recht wenig geändert, sie vielmehr nur nach vielen
Seiten besser ausgebildet, da er alle mögliche Sorge trug, durch jährlich mehrmonatlichen Aufenthalt in der
Heimat seinen Erinnerungen die Frische zu erhalten. — Ebenso hat er sich aber auch immer mehr auf diese
Heimat beschränken gelernt, da sie ihm den Bauernstand in der schönsten Form zeigte, die in Deutschland
überhaupt zu finden ist, wie er sie auch ani besten verstand. Denn selbst seine verschiedenen Versuche, die doch
stammverwandten Bauern des benachbarten bayrischen Gebirges darzustellen, sind nie so geglückt, daß sie ihn
zum Weiterschreiten auf diesem Wege hätten veranlassen können. Ist es aber nicht ein tragisches Geschick, daß
jenes kraftvolle Bauerngeschlecht, welches uns der Tiroler Meister von seiner heroischen wie von seiner gemüt-
lichen Seite so unübertrefflich schildert, gerade jetzt dem Untergange näher zu stehen scheint als je zuvor, ja
daß es in unerhörter Verblendung in Tirol wie in ganz Deutschland dem Wucher und der Geldherrschaft, dem

Franx von Defregger.

Die Kunst für Alle X.

27
 
Annotationen