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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Schumann, Paul: Die Dresdner Skulpturensammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0314

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Die Dresdner ?kiilxturensainmlung.

Es folgt der in der Bewegung ganz eigenartige Merkur,
der durch zwei einander umringelnde und beißende
Schlangen den Heroldsstab erfindet, von Jean Marie
Antoine Jdrac (geb. 1849), dann im Gegensatz zu dieser
weich und geschmeidig behandelten Gestalt, das eherne
Zeitalter von Auguste Rodin, ein Jüngling, der in
einfachster Stellung dasteht, mit knappen herben Formen,
wie aufs äußerst Notwendige beschränkt, stark in den
Muskeln, fest ausgeprägt und zäh, dabei ganz natura-
listisch in der Behandlung des Fleisches. Von Rodin
stammt auch die bronzene Maske eines Italieners, ein
charaktervolles, wuchtiges Werk. Den Beschluß dieser

Eva. Von Artur Volkmann.

(Dresdner ^kulxkurensammlung.)

ungemein interessanten Reihe macht die „Jugend" von
Antonin Carles, ein junges nacktes Mädchen mit dem
ganzen Reiz keuscher eben erblühender Jugendschönheit.

Hierzu kommt weiter eine große Anzahl von Me-
daillen, Schaumünzen und Ehrcntäfelchen. Sie ver-
treten einen hoch ausgcbildctcn Zweig der Kunst, dem
Deutschland noch nichts Ebenbürtiges an die Seite zu
setzen hat. Die ersten Keime dieser Kunst liegen in den
dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts, als man begann,
auch auf den Medaillen Natureindrücke wiederzugeben.
In den fünfziger Jahren pflegten französische Künstler
einander in Rom auf Medaillen zu modellieren. Das
Relief war anfangs knorrig und sehr hoch, nach und
nach ward es flacher, jetzt hat es eine Weichheit und
Zartheit erreicht, die nicht zu überbieten ist. Dabei

hat sich der gesamte Stil verändert. Früher mußte der
Grund der Medaillen blank, das Relief hart sein, jetzt
wird auch der Grund mitmodelliert, dadurch erzielt man
große Tiefe und eine mehr malerische Komposition. Der
feste Rand und die gleichmäßige Schrift wird auf-
gegeben: die Medaillen zeigen meist eine ungleiche Block-
schrift. Einen bedeutenden Aufschwung nahm die Medaillen-
kunst, als man die Medailleure nötigte, ihre Modelle selbst
herzustellen, statt sie nur nach den Modellen der Bildhauer
auszuführen. Diese neu gegründete Münzstempelschneide-
kunst aber hat einen festen Boden in dem kunstsinnigen
französischen Publikum. Zahlreiche und lohnende Auf-
träge werden den Medailleuren zu teil und mit Recht
schätzt man diese sinnigen Werke. Ist doch, wie F.
Luthmer sagt, ein solches kleines Relief in Silber,
künstlerisch konzipiert und liebevoll bis ins kleinste durch-
gearbeitet, die intimste Form der Kunst, so recht die
Kunst fürs Haus, wie keine andre geeignet, die Er-
innerung an einen großen Erfolg, an ein freudiges
Familienfest, an einen geliebten Verstorbenen für Gene-
rationen festzuhalten. Dringend ist zu wünschen, daß
auch in Deutschland diese feine Kunst heimisch werde
und sich veredele. Neben den zahlreichen französischen
Medaillen liegen im Dresdner Museum auch eine An-
zahl deutscher, doch reichen sie an die besten französischen
bei weitem nicht heran. Ältere Vertreter dieser Medaillen-
kunst sind Daniel Dupuis und Louis Botte, B.
Degeorge und I. Lagrange, sowie Alphee Dubois.
Die hervorragendsten Künstler dieses Zweigs aber sind
I. B. Chaplain und der berühmte Louis Oscar Roty.

Von Roty finden wir namentlich die Ehrentäfelchen
für Georges Duplessis, den Verwalter der National-
bibliothek zu Paris (1886), für den französischen Alpen-
klub, für den großen Chirurgen Leon Gosselin, für
Louis Pasteur zum 70. Geburtstag (s. Abb.), für Michel
Eugene Chevrcul zum 100. Geburtstag (s. Abb.), sür den
Pariser Kunstschlosser Pierre Boulanger und seine Frau
(1885); ferner die Denkmünzen auf die Eröffnung der
Eisenbahn zwischen Algier und Konstantinopel (1886),
für eine Anstalt zur Erziehung verwahrloster Mädchen
(1885), für die Handelskammer der Stadt Lyon, für
eine Erziehungsanstalt für Töchter höherer Stände (1884).
Entzückende Kunstwerke von ausgesucht feinem Geschmack
sind weiter die Speisekarte (3:5 cm in Silber) zu
einem festlichen Mahle für einen Polizeipräfekten
(1892) und die Medaille zur Taufe des kleinen Jean
George Emile Roty (1892). Auf der Vorderseite der
Speisekarte (s. Abb.) sehen wir eine vornehme weibliche
Gestalt, die auf dem Drehstuhl vor dem Pulte sitzt und
sich umwendend durchs offene Fenster auf die Stadt
hinausschaut, deren Schutz der Polizei anvertraut ist.
Sie schaut, hört und wacht, wie die Unterschrift besagt.
Ganz köstlich ist der Tisch mit der Lampe und dem
Schreibzeug, das Wappen an der Wand, der Papier-
korb unterm Tische, die ferne Stadt mit Häusern und
Türmen durchgeführt. Ein solches Meisterwerk von Speise-
karte aufzuheben, verlohnt allerdings der Mühe. Auf der
Taufmünze (s. Abb.) sehen wir eine Mutter, die ihr
Kindchen liebend an sich Preßt, eine Gruppe von innigster
Empfindung und feinster Durchführung. Roty ist ein
geistvoller Künstler, das zeigt schon die Mannigfaltigkeit
der Motive in allen diesen Medaillen, Ehrentäfelchen
und Denkmünzen. Nirgends eine Spur von schematischer
 
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