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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Relling, ...: Die Große Berliner Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0346

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Die Große Berliner Kunstausstellung.

einer Gruppe Künstler und Gelehrten. Alles fleißig durchgeführte Porträts, Knaus ist zu erkennen, Menzel
beobachtet von der Seite aus die Gruppe. Ein anderes Bild Werners findet sich in einem der nächsten
Säle: „Der Kronprinz 1870 im Hauptquartier". In etwa gleichem Format gemalt, ist es gewiß als Pendant
zu dem Bild im Ehrensaal gedacht. Da ist noch ein anderer alter Berliner, Knaus, dessen man sich von
früher her, als man die Bilder der humorvollen Erfindung wegen schätzte, gern erinnert. Er bietet uns keinen
Anlaß zum Ärger, aber auch nicht zu freudiger Überraschung. Im Süjet wenigstens, wie charakteristisch für ihn,
hat er diesmal modern sein wollen. Silene, Satyrknaben und ähnliche mythologische Wesen hat er in den
alten Situationen gemalt. Aber ob sie nun Bocksfüße und Schwänzchen haben oder nicht, es bleiben doch
die raufenden Schusterbuben von ehemals. Da hätten wir sie lieber doch gleich so gesehen, wie sie uns früher
wert geworden sind. In der Malweise modern zu erscheinen, hat Knaus nicht versucht, und daran hat er
auch gewiß recht gethau. — So manches junge Talent ist hier schon aufgetaucht und nach längerem oder kürzerem
Kampf in der hier allein geduldeten Durchschnittlichkeit untergegangen. Um einen wäre es schade, wenn er
dem gleichen Schicksale verfiele, das ist Ludwig Dettmann. Schon mehrere Jahre beobachte ich ihn mit
ängstlicher Sorge. Anfangs ganz oben, dann etwas unten, dann wieder oben. Wie schlimm für unfern Nach-
wuchs, wenn auch er verberlinern sollte. Aus dem Kampf sollte er längst hinaus sein, doch sehen seine neuen
Bilder nicht danach aus. Eine riesige Leinwand hat er im Skulpturensaal ausgestellt: „Die Überführung der
Leiche Kaiser Wilhelms I. in der Nacht des 12. März 1888". Hierin ist nun eigentlich gar nichts von Dett-
manns sonst so feiner Handschrift zu erkennen, das Bild ist roh. Glücklicherweise finden sich an anderen
Stellen einige seiner guten Sachen, so die kleine Studie zweier im Freien malender Damen. Das große
Triptychon „Das Volkslied" (im vorigen Jahr auf der Münchener Ausstellung) vermag ich zu seinen bessern
Bildern nicht zu rechnen. Bilder, die erst durch die erklärende Unterschrift deutlich werden, sind keine Bilder.
Eine Jllustrationsmalerei ist auch echt berlinisch. Von unfern sonstigen Jungen ist Hans Herrmanu mit
mehreren venetianischen Ansichten und einer besseren holländischen da. Kurt Herrmanns leider hochgehängtcs
Herrenbildnis ist sehr feingestimmt. Der dunkle blaurötliche Anzug hebt sich mit äußerst pikanter Wirkung von
dem hellbräunlichem Grund ab. Ein Stilleben war schon von Schulte her Wohl bekannt. Ich bedaure, daß
Kurt Herrmann nicht einige seiner Farbenstudien in Rot ausgestellt hat. Das würde dann eine bessere
Nummer mehr unter den Berlinern bedeutet haben und eine, die auch neben den Franzosen selbständige Be-
deutung hat. Walter Leistiko Ws keusche Waldbilder sind eigentlich kein Ausstellungsgut, ihr intimer Reiz
kommt hier in den großen unruhigen Sälen, oft in minderwertiger Nachbarschaft, nicht zur Geltung. Die
treffliche Dora Hitz hat wieder ein feines Bild gebracht: „Im Abendschein". Eine junge Frau mit dem Kind
aus dem Arm im Walde gehend und von den letzten schrägen Strahlen der nntergehenden Sonne beleuchtet.
Wenn es keine Madonna sein soll, so kann es doch beinahe als religiöses Bild gelten. Es ist in letzter Zeit
viel, Gescheidtes und weniger Gescheidtes, über Dora Hitz geschrieben worden. Die seltsame Erscheinung dieser
einsamen Malerin lockt freilich zur Ergründung. Aber ich meine, schriftstellerisch kann man ihrer Kunst nicht
beikommcn. Sie ist. Schnell noch zu andern. I. Alberts hat ein Kirchcuinncres seiner Halligen, ein gutes
und ernstes Bild, G. Mosson zwei weich gefärbte Herrenbildnisse ausgestellt.

Zwei seit langen Jahren bewährte Berliner Kräfte sind Franz Skarbina und Hugo Vogel. Mit
größerer Freude nennt man Skarbina, der hier einer der frühesten Modernen war, der dem gleichmachendcu
Berolinismus nie Konzessionen machte, der sich selbst immer treu blieb und darum auch eine so schöne künstlerische
Entwicklung erkennen läßt. Auch er ist aber kein Maler, der auf den großen Ausstellungen sein Glück macht.

Hier übersieht man ihn. Denn seine Licht- und Luftstudien verlangen, um verstanden zu werden, eine klug

gewählte Gesellschaft, wie sie der große Kunstomuibus kaum zu bieten vermag. Er mag das auch selbst fühlen
und giebt deshalb seine besten Sachen nicht auf die Ausstellung. Drei kleinere Bilder hat er eiugeschickt. Ans
dem einen, es heißt „Vom Regen überrascht", sehen wir wieder die schöne schlanke rothaarige Dame mit dem
langen Gesicht, die ihm in den letzten Jahren schon mehrfach als Modell gedient hat. Sie ist in die Thür eines

Hauses getreten und sicht nun in die regenfeuchte Lust. Diese Luft ist das Beste daran. Ein anderes Bild

ist vielleicht ein echterer Skarbina, das Innere eines Wirtshauses aus dem Quartier Montmartre, am Schenk-
tisch lehnt ein Manu in blauer Blouse. Das ist die raffinierte Farbcnmalerei, wie wir sie an Skarbina kennen
und schätzen. Der andere, Hugo Vogel, ist nicht immer und leider immer seltener so hoch einznschätzen wie
Skarbina. Wie weit ist der heutige Hugo Vogel von dem entfernt, der vor fünf bis sechs Jahren noch so
blendende holländische Bilder malte, mit denen wir ihn gleich neben Liebermann und Skarbina stellten. Daß
er nicht der gleiche geblieben ist, als wie er uns damals wert war, dürfen wir ihm freilich nicht verargen.
Aber daß seine weitere Entwicklung gerade nach der Kompromißseite hin liegen mußte, wird man nicht als notwendig
ansehen können. Das große Bild einer Messe im Marienmonat in der Kirche St. Gudule in Brüssel ist eines
der nicht kalten und nicht warmen Bilder seiner letzten Art. Günstiger erscheint Vogel als Porträtist. Als
solcher hat er sich schon häufig hervorgethan. Zwei Herrenbildnisse hat er ausgestellt, die als dunklere Seiten-
stücke neben seinem buntblumigen Kirchenbild hängen. Diese Aufhängung ist äußerst geschickt gemacht, die
 
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