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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Die Kunstausstellung von Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0370

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Die Kunstausstellung in Venedig.

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und bedeuten gegenüber einem älteren Bild desselben
einen erheblichen Fortschritt vom Konventionellen zur
Natur. Los Rios giebt zwei ausgezeichnete Proben
seiner Ätzkunst: einen Garibaldi und eine Hirtenszene.
Im anstoßenden Saal findet sich Skandinavien: vom
Dänen Zahrtmann sein Bild aus dem bekannten
Cyklus der Eleonore Christine-Schilderungen), Kroger,
Mols, Paulsen („Die wartenden Modelle"), Ancher,
Tuxen mit seinem großen Strandbild der heimkehrenden
Fischer §1887), von Norwegen Thaulow: Häuser in
bläulich-grünem Mondlicht und ein in kleinen Wirbeln
schnell fließender, spiegelnder Bach mit Weiden, Wiesen
und einer Fabrikstadt im Hintergrund, E. Petersen:
stimmungsvolle Sommernacht in Norwegen, blaßgelber
Himmel über Schärengegend, Gude: kräftiges Seestück
und G. Munthe, der in einer Reihe von archaisierend
barocken Aquarellen der Naivetät alter Märchen zu-
liebe das wunderlichste sacriücio ck'illlelletto bringt —
von Schweden Karl Larsson: Sonnenuntergang, eine
Beleuchtungsstudie von ungewöhnlicher Energie, Lilje-
fors mit einem Jagdbild und einer schreiend bunten
Sommernacht an Schwedens Küste, das schöne Porträt
der Malerin Bonnier von R. Bergh (1889) und
zwei Zorn.s, von denen „Ein Trinkspruch" neu, aber
unbedeutend. Von Österreichern: Läszlo, Lebiedzki,
Ribarz und Tichy, sämtlich ein selbst genügsames
Mittelmaß nicht überragend. Holland zeichnet sich durch
eine ganze Kollektion schöner Radierungen aus, darunter
Blätter von E. Bosch, Etha Fles, Graadt,
M. Maris, Storm de s'Gravesande, Valk und
Zilcken hervorragend schön. Israels' „Die Heimkehr
von der Arbeit" und Bisschops „Sonnenschein", zwei
bekannte Marinen Me s d a gs, ein in der Technik etwas
unruhiges Stilleben von Frau Mesdag geben im
übrigen der holländischen Abteilung ihr charakteristisches
Gepräge. Voerman hat zwei eigentümliche Aquarelle
geliefert, grüne Wiesen und Kühe, wie aus Zink aus-
geschnitten, Stadt und wolkiger Himmel im Hintergrund,
aber von eigentümlichem Zauber. Leemp oels und van
Leemputten, sowie Franz Courtens mit
einer Baumallee, durch deren hohes Laub die
Septembersoune einfällt, vertreten daneben
Belgien. Nun zu den Italienern: Grossos
„Lupremo convegno", vier nackte, weibliche
Gestalten, die sich über den Katafalk eines
noch jugendlichen Toten geworfen haben, lüstern-
neugierig in das blasse Gesicht der Leiche
starren, den Grabeskranz zerpflückend wie
zu einer Orgie, noch andere im Hintergründe
des Kirchengewölbes, gleichfalls zum ge-
spenstischen Stelldichein sich nähernd, hat das
Glück gehabt, zunächst wegen Unsittlichkeit zu-
rückgewiesen zu werden. Die Sache durchlief
alle Zeitungen, und das Ausstellungspublikum
sammelt sich infolgedessen vor der ziemlich
großen Leinwand. Da die Mache äußerlich,
die Allegorien abgeschmackt und selbst die
Technik ganz gewöhnlich ist, wäre es besser
gewesen, diese Reklame wider Willen zu ver-
meiden. Malerisch feiner, jedoch auch nicht frei
von anspruchsvollen Äußerlichkeiten und Ge-
schmacksroheit ist desselben Künstlers „Das
Weib". Wohlthuend wirkt daneben die bescheidene

Innerlichkeit in Laurentis Doppelbild „Leieres Zarcken-
libus Korae, alüictis lentae", links die Jugend, ein wir-
belnder Reigen von Kindern bis zur aufgeblühten Jung-
frau, Licht, Bewegung, Freude — rechts aus düsterer
Kirchenpforte langsam die Stufen herabschreitend, abge-
härmte, leidtragende Frauen bis zur zitternden Greisin, die
mit dem Fuße bereits die Steinplatte des Begräbnisplatzes
berührt. Auffallend schwach ist ein großer Segantini:
„Rückkehr ins Vaterland", ein Bauer führt das Pferd,
auf grobgezimmertem Wagen sitzt seine Frau nebst Kind
über einem Sarge, dahinter das Joch des Hochgebirges
mit schneeigen Gipfeln, darüber ein weiter rosig
gefärbter Himmel. Seine Malweise nimmt durch die
ihr eigentümlichen Strichbündel allmählich leider den
unangenehmen Charakter jener seidengestickten Bilder an,
wie sie von den Nähmaschinenfabriken in die Etalagen
gestellt werden. Zwischen Segantini und den fran-
zösischen Pointillisten stehen in der Technik Mor belli,
der uns etwas über ein halbes Dutzend Arbeiterinnen
in dem Graben eines Reisfeldes gleichmäßig gebückt
und vom Wasser wiedergespiegelt zeigt, und Pellizza
mit einer Prozession und einem Porträt, beides matt.
Landschaftsbilder sind von Carcano: zwei Gebirgs-
panoramen, Carozzi: ein schneeiger Winterabend und
ein Gang zur Quelle, Ciardi: eine Dämmerung mit
wallenden Nebeln im Val cki Lcalvs und ein frisch ge-
malter Oktobermorgen, Giuliano: ein felsiges Gestade
bei (ffuinto al inare, Tafuri: ein hübsches venetianisches
Kanalbild Luigi. Bezzi: die obere Etsch. Derselbe
hat einen italienischen Fischermarkt in trüber Regen-
stimmung breit und tüchtig wiedergegeben. Von Michetti
ist ein enormes Abruzzenbild in Tempera „Ls. üglis.
clie sorlo", ein gefallenes Mädchen, das dem Spott
der Dorfbewohner preisgegeben ist, dazu gehörig eine
Anzahl sehr ausdrucksvoller Studienköpfe. Die Skulp-
turen sind gering an Zahl und nicht nennenswert. Be-
merkenswert gut ist der illustrierte und mit biographischen
Nachweisen versehene Katolog. X.


Schleuse in Dordrechl. von ksans lqerrmann.

Intern. Kunstausst. des Vereins bild. Aünstler (Secession) zu München.
 
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