Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

DOI Artikel:
Relling, ...: Die Große Berliner Kunstausstellung, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0372

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Große Berliner Kunstausstellung, von vr. Relling.

schummernde Pariser Malweise vertreten in Familien-
bildnissen E. Carriere und H. Lerolle. Im Saal
der Leute von den Champs Elysees fällt zunächst die
größere Menge weiblicher Akte auf. Tie Franzosen
sind als Dichter und als Künstler ohne ausgezogene
Weiblichkeit und ohne Lüsternheit nun einmal nicht
denkbar. Daß es aber auch hierin selbst in Frankreich
anders wird, zeigt die Abnahme solcher Darstellungen
bei den jüngern Malern, mit der merkliche Änderung
in der Beziehung bei der jüngsten französischen Dichter-
schule Hand in Hand geht. Beispiele solcher Schau-
stellungen weiblicher
Reize von der herge-
brachten Pariser Art
ist z.B. J.Wenckers
„Jägerin", die völlig
nackt an einem Baume
lehnt. Auch Bou-
guereaus süßliche
und weichliche„Perle"
gehört zu dieser
Sorte. Am tollsten
geht es auf F. Le
Quesnes „Wild-
bach" zu, der eine
Menge nackter Mäd-
chen mit sich führt,
die nun auf Fels-
stücken liegend oder
vom Wasser fortge-
trieben in den ver-
schiedensten reizvoll-
sten Stellungen ge-
zeigt werden. Der
beste unter den weib-
lichen Akten der Fran-
zosen ist das Bild
„Der Morgen" von
A. Breautö. Ein
junges Mädchen nach
dem Bad in ihrem
Schlafzimmer sitzend
und sich den Fuß
abtrockend. Durch das
verhüllte Fenster fällt
ein in hcllvioletten
Tönen weich ver-
dämmertes Licht, das
die blühenden For-
men des Mädchens kosend umspielt und die Weiße junge Haut
im silbrigen Glanz erscheinen läßt. In weicher Stimmung
und sanfter Färbung sind auch die Bilder von P. Lagarde
und A. F. Gorguet. Gorguets „GartenderHesperiden" mit
Äpfel pflückenden Mädchen in zeitlosem Kostüm, ist in
Thema und Auffassung, nicht aber im Kolorit, etwas
Wohl von den Prärafsaeliten bestimmt. In der Fär-
bung zeigt es einigen Anschluß an die Gewöhnung der
jüngeren Leute vom Champ de Mars. Besonders schön
ist die Gestalt des jungen Mädchens im lichtgrünen
Kleid, das mit großen Augen weltvergessen aus dem
Bild schaut und mit weicher Grazie über den Boden
gleitet. Das Bild von Lagarde ist eine abendliche Land-
schaft mit ziehenden blauen Nebeln, die Geisterschatten

295

in sich bergen. Der Held dieses Saales ist aber der
unvergleichliche köstliche I. Boldini. Ein kleines
Interieur, wie er sie oft malt, zeigt eine Malerin im
Atelier Akt malend. Es ist ganz skizzenhaft behandelt,
aber so prickelnd geistreich und im koloristischen Effekt so
fein zugespitzt, daß man sich nicht wundern kann, daß
auf diesem Bild, als einem der ersten unter den franzö-
sischen, der Zettel „verkauft" hing. Die beiden andern
ausgestellten Bilder Boldinis sind Porträts. Die Fürstin
Poniatowska, eine überaus schöne Dame in rosa und
weißer Balltoilette ist malerisch entsprechend dem Wesen

der verwöhnten und
anspruchsvollen Pa-
riser Salondame be-
handelt, das feine
Gesicht mit dem zier-
lichen Näschen ist
scharf ins Profil ge-
rückt. Sehr vornehm
sind hier die künst-
lerischen Ausdrucks-
mittel. Wie anders
sieht das zweite Por-
trät Boldinis aus.
Ein Pariser Maler,
der in größter Lustig-
keit mit Frau und
Tochter von einem
Vergnügen heimkehrt.
Der Cylinder ist weit
zurückgeschoben, der
breite Mund des an-
scheinend etwas an-
geheiterten Herrn zum
Lachen geöffnet.
Neben ihm die be-
häbige, echt parise-
rische solide Frau,
die über das Be-
nehmen des Mannes
etwas verlegen scheint
und auf der andern
Seite die etwas
blöde lachende Toch-
ter. Das Bild .ist
natürlich derber ge-
malt als das Bild
der polnischen Für-
stin, so fröhlich und
frisch, daß man immer wieder vor das Bild gelockt wird
und es immer wieder mit der gleichen Freude betrachtet.
In kräftigen Farben ist auch das schmale hohe Bild von
F. Roybet, „Vergnügt", gemalt, das ganz im Stile des
Frans Hals gehalten ist. Jedenfalls ist diese kleinere Arbeit
weit erfreulicher als seine große Historie im Ehrensaal,
wohl die größte Leinwand der ganzen Ausstellung. Es
stellt das Blutbad zu Nesles durch Karl den Kühnen dar.
Wenn es nötig ist, daß solche gewaltige Morithatcn
gemalt werden, warum dann aber gleich in so auf-
dringlichem Format. Ist es aber nötig, daß so etwas
gemalt wird? An Darstellungen von Grausamkeiten
und Greuelszenen haben die Franzosen wie alle Romanen
besondere Freude. Aber es ist doch auch bei anderen

Das Schicksal und..die Menschheit, von H. L. Leemxoels.

Internationale Aunftausstellung If89ö des Vereins bildender Aünstler (Secession) in München.
 
Annotationen