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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Röse, Otto: Spaziergänge durch die Pariser Salons, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0392

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von Vtto Röse.

-U

stellung anderer Freuden ergänzt werden soll. Der Katalog
bezeichnet es als die erste Nummer eines Bildercyklns.
Nr. 2 wird vielleicht das Ballett, die Velocipedie und die
Malerei behandeln. Zur ferneren Darstellung empfiehlt
sich das Flanieren auf den Boulevards, der Empfang
des Ordens der Ehrenlegion u. s. w. Sehen wir in-
dessen, wie der Künstler seine ersten drei Freuden em-
pfunden, gedacht und dargestellt hat. In einem Garten,
der stark an Theaterdekoration erinnert, liegen vorn
links verschiedene nackte Frauenzimmer, offenbar arbeits-
los, doch sichtlich bemüht, ihre Formen in malerischen
Schwung zu bringen. Rechts machen zwei Geiger und
ein Cellospieler Musik im Grünen. Im Gegensatz zu
den gelagerten Personen sitzen sie auf einer Gartenbank
und haben schwarze Röcke, Stehkragen und schwarze
Schlipse an. Träumerisch vor sich hinstarrend, geigen sie
mit heiligem Ernst. Ihre Töne scheinen anderweitig aber
andere Gefühle zu erwecken. Im Mittelgründe wimmelt
lustiges Gesindel. Herren in schwarzen Röcken ziehen
Arm in Arm mit Weibspersonen, die noch nicht ganz
Toilette gemacht haben, küssen sie und führen sie ins
blumenreiche Gebüsch. Was durch die Blumen zu ver-
stehen ist, wollen wir nicht weiter erörtern. Genug,
der Maler hat sich einer echt pariserischen Pikanterie
befleißigt. An sich gereicht ihm das keineswegs zum
Vorwurf, denn größere Künstler als Roll haben dieses
Genre kultiviert und uns mit ihrer lockeren Phantasie
ergötzt. Watteau, Fragonard, Grenze waren solche liebens-
würdigen Schwerenöter, liebenswürdig aber nicht sowohl
durch die Gegenstände, welche sie wählten, als durch die
Art und Weise, in welcher sie sie behandelten. Ihre
Polissonnerie wurde vor lauter Zierlichkeit beinahe harm-
los. Ihnen wäre es auch nicht eingefallen, einen lockeren
Scherz in Dimensionen darzustellen, welche sich nur für
die Schlachtenbilder der Könige von Frankreich eigneten.
Vor allem malten sie besser als Roll, der früher zwar
als frischer, herber Realist den Pinsel mit meisterhafter
Wucht führte, seit einigen Jahren aber in süßliche Flau-
heit verfällt.

Beiläufig gesagt, scheint es den meisten Pariser
Malern, die vor einem Jahrzehnt noch den Stamm einer
jugendkräftigen Schule bildeten, so zu gehen. Friant,
der ein ähnliches Sujet wie Roll, „Die glücklichen Tage",
in Figurengruppen behandelt, ist ausfallend süß geworden,
besonders in der Farbe; Callot setzt seiner Malerei
immer mehr Zuckerstoff zu. Aublet vollends hat eine
Konditorei für Damen aufgethan, Auswahl von Schlag-
sahne, Biskuit, dlanc-manZer und Naschwerk aller Art.
Andere bemühen sich, in ihrer Mache immer winziger zu
werden. Von einem Courtois wundert uns das nicht,
denn er war von jeher bei all seiner Gewissenhaftig-
keit trocken und kleinlich; daß aber auch ein Dagnan-
Bouveret zum Niveau des Winzigen und Geleckten
hinabsteigt, das ist bedauerlich.. Bei wahrhaft großen
Meistern verbreitert sich der Vortrag mit der Zeit; bei
den meisten Franzosen der Gegenwart verengert er sich
hingegen und strebt entweder der Miniatur der Tabaks-
dose oder dem Staffeleibild ä In Bouguereau zu. —
Erwähnen wir noch zum erfreulichen Schluß ein

herrliches Bild von Edelfelt: Abschied eines länd-
lichen Liebespaares in nordischer Abendlandschaft; vom
Dänen Kroyer: Zwei junge Frauen, die im letzten
Sonnenstrahl am Strande hinwandeln; von unfern deutschen
Malern F. v. Uhde: Die Grablegung, Trübner: Das
Haupt der Medusa, Kuehl: Inneres einer Lübecker
Brauerei; Liebermann: Holländischer Fischer; von
Stetten: Eine Reihe sorgfältig durchgeführter Studien

Bildnis seiner Frau, von Ferdinand Keller.

und Porträts; Klinger: Urteil des Paris und (in der
Skulpturabteilung) Kassandra; Burger: Ein flottes
Pastellporträt der Schauspielerin Rejane — und ver-
lassen wir den Marsfeldsalon, um unsere Schritte nach
dem Jndustriepalst zu lenken, wo es noch mancherlei
Schätzbares zu sehen giebt.
 
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