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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Relling, ...: Die Große Berliner Kunstausstellung, [3]
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Die Große Berliner Kunstausstellung.

vor Beginn des Monstrekonzertes sich noch ein Stünd-
chen vor den Bildern der Ausstellung angähnen, der
wird in seiner hohen Meinung von der erziehenden
Wirkung der Kunst nicht besonders bestärkt werden.

Und doch ist gerade die diesjährige Berliner Aus-
stellung eine so herrliche, daß man daran in der That
Hoffnungen für eine Besserung des Berliner Kunst-
geschmackes knüpfen möchte.

Bleiben wir zunächst einmal in dem Saal der
Amerikaner. Selbst München hat noch niemals eine
so gut besetzte amerikanische Ausstellung gehabt. Weil
die Amerikaner hier zum erstenmale in Berlin ge-
schloffen auftreten, deshalb konnten sie sorglos auf die
Produktion früherer Jahrgänge zurückgreifen. Sie haben
manches ältere Bild gebracht, das in München und
Paris längst bekannt ist; aber dadurch ist das Gesamt-
bild der amerikanischen Kunst ein so reiches geworden.
Freilich, eine eigentliche nationale amerikanische Kunst
haben wir hier nicht zu sehen bekommen. Die hier ver-
tretenen Amerikaner sind mit wenigen Ausnahmen in
Paris gebildet und leben dort seit Jahrzehnten. Mit
dem Geist der französischen Kunst haben sie zugleich
auch den Geist der europäischen Kultur in sich ausge-
nommen. Die Eindrücke, welche sie in früher Jugend in
ihrer amerikanischen Heimat empfangen haben, sind längst
vergessen. Statt dessen malen sie die Typen des gesell-
schaftlichen Lebens der Seinestadt mit einem Raffinement,
welches oft noch über dasjenige der geborenen Pariser
hinausgeht. Oder sie gehen mit ihren Pariser Kollegen
im Sommer hinaus in die Ebenen der Normandie und
malen Dorfkirchen oder die einfachen Flachlandschaften an
den Küsten der Nordsee. Aber nicht die wirkliche Welt
und das wirkliche Leben allein bieten ihnen die Stoffe
für ihre Bilder. Die jungen Amerikaner versenken sich
mit überraschender Innigkeit in einzelne Gebiete der
älteren europäischen Kulturgeschichte. Sie malen die
arkadischen Gefilde der griechischen Dichtung, das Leben
in den europäischen Klöstern, das orientalische Leben
und die orientalische Landschaft in den französischen Ko-
lonien, einen spanischen Tingel-Tangel — aber nach
irgend einem eigenen vaterländischen Gedanken suchen wir
in diesen langen Bilderreihen vergebens.

Unter den hervorragenden Porträtleistungen der
Amerikaner stehen oben an die Werke von John
Alexander, Sargent, Wilton Lockwood und
Gari Melchers. In diesen Arbeiten zeigen die
Amerikaner, daß sie nicht nur den Chic der Franzosen
in der künstlerischen Darstellung der modernen Toiletten
gelernt haben, sondern daß sie den Hauptwert in ihren
Porträts auf eine intime Schilderung des inneren Lebens
der Seele legen. Harrison bringt ein großes älteres
Nymphenbild und mehrere künstlerisch wohl noch höher
stehende kleinere Marinen. Das Herdenbild ist aus-
gezeichnet durch William Morris Hunt und Charles
Sprague Pearce vertreten. William Dannat er-
regt hier allgemeines Entsetzen durch sein in München
wohlbekanntes Bild der spanischen Sängerinnen. Aber
hier und da finden sich doch Stimmen, welche auch in
der Darstellung einer so drastischen Szene die große
koloristische Schönheit des Ganzen zu bewundern wissen.

Die Engländer und Schotten haben ihre be-
sondere „Großbritannische Abteilung" erst in den letzten
Wochen fertiggestellt. Berlin hat bei früheren Gelegen-
heiten schon eine reichere, vielseitigere Auswahl der
Kunst des Jnselreiches gesehen. Es fehlt diesmal zur
rechten Repräsentation der englischen Kunst eine größere
Anzahl von ernsten Historienbildern, von Schilderungen
aus der Welt des klassischen Altertums, von religiösen
und symbolischen Bildern aus dem Kreise der englischen
Präraffaeliten, auch von großen Repräsentations-
porträts aus der höheren englischen Gesellschaft. Man
fühlt es sehr bald heraus, daß die englische Abteilung
diesmal nicht wie sonst durch diplomatische Intervention
mit Hilfe der Royal-Akademie zustande gekommen, sondern
durch die freie Beschickung der Maler von London,
Glasgow, Edinburgh und einiger anderer Städte. Bon
den alten Säulen der englischen Kunst ist Sir Frederic
Leighton durch ein schön komponiertes Genrebild mit
schlummernden Griechinnen vertreten. Burne-Jones
bringt ein tief empfundenes Bildnis eines Kindes, das
andächtig zum Gebete die Hände faltet. Millais schwelgt
in seiner Lieblingsfarbe, dem hellschimmernden Scharlach-
rot, in dem Porträt des Kardinals Newman. Aber
die eigentlichen Lorbeeren der britischen Abteilung ernten
diesmal die jüngeren Kräfte. In zwang-
los der Natur abgelauschten Porträts
stehen obenan James Guthrie, Edward
Walton und Schulderer. Aber auch die
echt englische Freude an der Wiedergabe
der gemessenen Vornehmheit der britischen
Gesellschaft hat ihre Vertreter in John
Lavery und Charles Mackie gefunden.
Walter Crane ist leider nur durch ein
paar kleine landschaftliche Aquarelle ver-
treten, die von dem tieferen Geiste seiner
Kunst recht wenig zeigen. In der Land-
schaftsmalerei der Schotten herrscht fast
ausschließlich die träumerische nächtliche
Beleuchtung vor. Die Hauptmeister sind
noch immer genau dieselben wie in mancher
früheren schottischen Ausstellung in Berlin
oder München: Macaulay Stevenson,
Thomas AustenBrown, A. K. Brown,
Alexander Roche, Knight, James
Paterson und auch der in allem be-

Dir Tänzerinnen. Von Franz Stuck.

Intern. Kunstausstellung 1895 des Vereins bildender Künstler (5-ecession) zu München.
 
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