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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Der Amateur-Photograph
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0422

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Line Miauderei über die Photographie und ihre Beziehungen zur ltunft.

(^eit vielen Jahren bemüht man sich, die Photographie, deren
Aufgabe cs zunächst ist, die Gegenstände objektiv wiederzugeben
— der Wissenschaft zu^ dienen, auch zu künstlerischen Zwecken zu
benutzen, lieber die Frage, ob die Photographie eine Kunst ist,
ist vielfach gestritten worden und wird es auch heute noch; doch
neigt man jetzt fast allgemein der Ansicht zu, daß der Photographie
eine Stelle unter den darstellenden Künsten gebühre. Der Streit
war heftig, aber interessant.

Die Photographie ist keine Kunst, sondern eine Wissenschaft,
heißt es. Je mehr die Photographie Kunstwerke liefern will,
desto deutlicher zeigt sie ihr Unvermögen. Die Linse versteht sich
nicht aus die Kunst, sie handelt in Uebereinstimmung mit den
Naturgesetzen; der Entwickler handelt ebenso gedankenlos, wie
irgend ein anderes chemisches Experiment verläuft. Die Camera,
eine nicht denkende Maschine, macht alle ihre Erzeugnisse nach
derselben Schablone; sie ist nicht imstande, eine Auswahl zu treffen,
und in ihren Bildern ist auch keine Spur von individuellen Aus-
drücken vorhanden.

In der That ist die Camera eine tote Maschine — ebenso
wie der Pinsel ein lebloses Werkzeug ist. Aber wer hat denn die
Auswahl zu treffen, die Camera oder der Photograph? — Man
muß nur verstehen^ die nicht denkende Maschine zu handhaben.

Es werden Tausende von Aufnahmen gemacht, woran be-
wiesen werden könnte, daß die Photographie keine Kunst ist; aber
es giebt auch Gemälde, welche nichts weiter als ein Resultat der
Handgeschicklichkeit des Malers sind.

Das Photographieren ist leicht — zu leicht, und das ist
eben schlimm. Gerade die Dilettantcnarbeit bringt die Photo-
graphie als Kunst arg in Mißkredit. Steht unser Freund des
Morgens auf und scheint die Sonne ins Zimmer, so denkt er
schon: „Heute wird aber mal tüchtig photographiert!" Alles was
ihm in die Quere oder vielmehr was vor die Linse kommt, muß
wohl oder übel dran glauben — gleichgültig, was es ist, wenn
nur die nötige Anzahl Platten exponiert wird und nachher auf
den Bildern möglichst viele Einzelheiten zu sehen sind: dann ist
er zufrieden. Das Photographieren an sich macht Freude —
Tie Linse giebt das wieder, was sich vor ihr befindet, sie kümmert
sich nicht darum, ob der Gegenstand zur Aufnahme geeignet ist
oder nicht — und wenn sich der Photograph auch nicht darum
kümmert, so kann
natürlich kein Kunst-
werk dabei zu stände
kommen. Tiber nach
solchen Gebilden sollte
auch nicht die Photo-
graphie in Hinsicht auf
ihren Kunstwert beur-
teilt werden. Wenn
man die Photographie
nur von diesem Dilet-
tantenstandpunkt aus
betrachtet, dann wird
und kann man aller-
dings niemalszugeben,
daß die Photographie
eine Kunst ist. Es ist
die alte Geschichte mit
dem Schild, der innen
silbern und außen
golden war. Jeder der
Streitenden sah nur
eine Seite und hatte
von seinem Standpunkt
aus recht, wenn er be-
hauptete, der Schild
wäre aus dem Metall,
welches er sah. — Wir
beurteilen doch auch
nicht die künstlerische

von F. P. Liesegang.

Bedeutung der Malerei nach den Bildern, die der kleine Moriz
auf die Tafel kritzelt, sondern nach Werken, die ein Künstler ge-
macht hat. Es kommen mithin hier auch bloß Photographen in
Betracht, die Künstler sind — oder vielleicht besser Künstler, die
Photographen sind.

Kann nun also ein solcher Photograph mittelst der Photo-
graphie seine künstlerischen Ideen zum Ausdruck bringen? Man
erklärt es vielfach für unmöglich, daß in einer Photographie auch
nur eine Spur von der Eigenart des Verfertigers vorhanden sein
könnte. Zwei tüchtige Maler, führt man an, werden von dem-
selben Gegenstände höchst wahrscheinlich ganz verschiedene Bilder
malen; zwei tüchtige Photographen hingegen werden denselben
Gegenstand fast ganz gleich wicdergeben und gleich wiedergeben
müssen — allerdings, wenn sie ihre Aufnahmen gleichzeitig (bei
gleicher Beleuchtung) und von demselben Standpunkte aus machen,
und dann können sie doch noch ihren Geschmack bekunden durch
geschickte Einrahmung der Landschaft. Aber ist denn der Künstler-
Photograph an den Standpunkt und an die Lagrszeit gebunden?

Andere wieder führen an, daß die Eigenart in der Photo-
graphie nur in sehr beschränktem Maße zum Ausdruck komme,
und diese darum keine Kunst sein könne. Das erstere ist richtig —
die Photographie ist in dieser Hinsicht beschränkt; aber alle Me-
thoden der Kunst sind mehr oder minder begrenzt, die Größe der
Begrenzung ist nur eine Sache des Grades und nicht der Art.
Wird einmal zugegeben, daß ein Künstler überhaupt imstande sei,
mittelst der Photographie sein Kunstgefühl zum Ausdruck zu
bringen, so kann auch nicht mehr geleugnet werden, daß die
Photographie eine Kunst ist — daß sie eine Methode ist, mit der
sich Kunstwerke schaffen lassen.

Das Ziel des Photographen ist offenbar dasselbe wie das
des Malers : seine künstlerischen Ideen in einem schönen Bilde zur
Darstellung zu bringen. Doch ihre Mittel sind grundverschieden.
Der Maler malt, was er vor sich sieht; aber er sieht eben ein
Gesicht, eine Figur, eine Gruppe, eine Landschaft oder was cs ist,
ganz anders als der photographische Apparat. Zudem benutzt
er frühere und an andern Stellen gemachte Skizzen und Vor-
studien; ihm ist jede willkürliche Aenderung gestattet, er kann
fortlassen, was ihm mißfällt, und hinzusügen, was dem Bilde
zum Vorteil gereicht. Der Photograph hat diese Freiheit nur in

beschränktem Maße;
er ist gewissermaßen
gefesselt. Die Camera
mit ihrem starren Auge
giebt ihm genau das,
was sich vor ihr be-
findet, so wie es in
Wirklichkeit ist; er muß
sich damit begnügen,
eine getreue Abschrift
der Natur zu bieten.
Die Natm treue der
Photographie wird
zwar viel gerühmt, und
Wahrheit ist auch
immerhin wünschens-
wert; aber sie hat nur
wissenschaftlichen Wert
— es ist falsch, den
künstlerischen Wert der
Photographie auf ihre
Naturtreue zurückzu-
sühren. So schön die
Natur auch sein mag,
sie ist doch nicht stets
geeignet, so wie sie ist,
im Bilde festgehalten
zu werden.

(Tie Fortsetzung im nächsten
Hefte.)

Die Zeit gehk schnell! von Eduard Dantan.

Salon de- Lbamxs Llyiees (Sstö.
 
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