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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Pecht, Friedrich: Die Jahresausstellung 1895 der Künstlergenossenschaft zu München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0446

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ZSH Die Jahresausstellung I8I5 der Uünstlergenossenschaft zu München.

Die vier Lebensalter, von Vtto Lckmauu.

licher, nur dem gründlichsten Studium zu dunkender Erfindung, daß man meint, nie etwas gleichzeitig so Über-
raschendes und zugleich Überzeugendes in dieser Art gesehen zu haben. Dies ist jedenfalls die genialste Einzel-
figur der Ausstellung, schöpferisch in jedem Detail. — Zu den besten Werken gehört dann das große Hoch-
relief des Spaniers Querol, welches einen heiligen Franziskus, umlagert von Flehenden und Hcitung-
suchendcn, darstellt. Da erkennt man in den Figuren sofort die Landsleute des Mnrillo wieder. Auch Bu schS
Holzfigur des heiligen Antonius ist sehr eigenartig gelungen, wie Maisons „Reichsherold". Offenbar gehört
unsre nächste Zukunft dem frischen Naturalismus dieser Künstler. Das macht sich vielleicht am deutlichsten in den
vielen trefflichen Arbeiten geltend, die zumPortrütfach zählen, wo Bitterlich, Dietrich, Rathansky, insbesondere
Tilgner in Wien Vortreffliches gebracht haben, wie Dennerlein, Satzinger, Jordan in München, Haus-
mann in Frankfurt und Dietsche in Karlsruhe. Sind außer den Deutschen nur die Belgier und Italiener reicher
vertreten, so haben eigentlich nur die ersteren wirklich Neues gebracht, überall aber zeigt sich eine Rührigkeit, ein
Bestreben, die Fesseln erstarrter Traditionen zu zerreißen, das einen nur mit den besten Hoffnungen erfüllen kann.

Wir kommen nun noch zu den Aquarellen und den immer häufiger auftretcnden Pastellen. Bei den ersteren
trügt wie gewöhnlich bei der Landschaft Hans v. Bartels mit einer Mondnacht den Preis davon, aber auch das
„Matterhorn" des Schweizers Steiner in Zürich ist eine vorzügliche Leistung durch die scharf ausgeprägte koloristische
Eigenart. Anderes geben Mesdag, Petzet in Karlsruhe, Kubierschky w. rc. — Unter den Figurenstücken ist
der Römer Simoni durch seine Szene aus dem Trastevonner Volksleben allen anderen überlegen, Pastelle geben
trefflich Schachinger, Mackensen u. a. Am reichsten ist indes die Schwarz- und Weiß-Ausstellung, die besonders
einen außerordentlichen Fortschritt der Radierung in Deutschland bekundet, aber auch einen köstlichen Schatz von
Handzeichnungen bringt. Auf sie kommen wir daher Wohl noch in einem eigenen Aufsatz zurück, den sie gar wohl
verdienen. Hier müssen wir uns auf die herrlichen Handzeichnungen Hermann Vogels von Plauen zu
Grimms Märchen beschränken, wohl das Phantafievollste, was die neuere Zeit in dieser Richtung gebracht.

Da seit unserem letzten Bericht auch noch die Engländer durch eine besonders reiche Ausstellung das
Gewicht der außerdem auch durch den'Zutritt der Russen und anderer beträchtlich verstärkten fremden Künstler
verstärkt haben, so ginge es wohl nicht an, diese große Abteilung zu ignorieren. Ilm so mehr als die Eng-
länder, weit entfernt, uns eingelernte Bravourarien ewig zu wiederholen, wie so viele Italiener, Holländer und
Spanier, im Gegenteil als Ganzes einen außerordentlich harmonischen und ganz auffallend' selbständigen Ein-
druck machen. Denn in ihrer, zwei große Säle und mehrere Kabinette füllenden Ausstellung ist alles englisch,
trägt den Stempel derselben Empfindungswcise in der idealen, derselben Naturanschaunng in der realistischen
Abteilung, in die ihre Kunst noch mehr als die aller anderen zerfällt. Es kann übrigens gar keine Frage sein,
daß die englische realistische Kunst weitaus die wertvollere ist, da hier niemals solch barocke Einfälle auftauchen,
 
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