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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Knille, Otto: Freilicht, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0049

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Frühnebel. Von Alfred Bach mann.

Freilicht.

Bon ülttv ÄlNllb. Nachdruck verboten.

Malerei der Neuzeit*) lebte bis vor kurzem in recht angenehmen Verhältnissen. Der Laie war mit
^ ihr ebenso zufrieden wie der Ausübende. Diesem verursachte die Antithese: „Verkaufsgut oder Selbst-
bekenntnis" noch keine Beschwerde, er schuf für das Publikum, nicht für den eigenen Bedarf, nahm es auch
mit der Originalität nicht allzu genau, sondern machte unter Umständen bei überlegenen Meistern Anleihen,
wohl in Erinnerung des Goethischen Spruchs: „Alles ist schon einmal gedacht worden, man muß sich nur
bemühen, es nachzudenken."

Gegen einen so lauen Friedensstand beginnen manche der jüngeren Genossen sich aufzulehnen: „Wir
verweigern die Erbschaft eurer überreifen Früchte, wir sehnen uns nach Bitternissen, ringen mit geschwollener
Stirnader nach Wahrheit, nur nach Wahrheit: das Natürliche und das Ich ohne das Dritte, die Tradition!"

Schöne Worte, die heute, in Thaten umgewandelt, von den Wänden der Ausstellung kund thun, daß
wirklich eine neueste Malerei mit Zweiteilung gegründet worden ist. Diese Gründung würde vielleicht
nie zu Staude gekommen sein, wenn sich ihren Ansprüchen nicht ein willkommener Krystallisationspunkt dar-
gcboten hätte und zwar in der Entdeckung des Freilichts und in seiner Verwertung zu einem noch nie
dagewesencn Mal Prinzip, bei dessen Einfachheit allerdings befremden muß, daß ihm eine ganze Reihe sonst
recht Heller Jahrhunderte abgewandt blieb. Gestatte, lieber Leser, dir anzuvertrauen, wie es damit zuging.

Die Maler von der alten Dreiteilung pflegten nämlich die Außenwelt so anzusehen, als ob
sie von Atelierwänden umschlossen wäre, von denen durchschnittlich nur eine Wand, die vordere oder seit-
liche, eine Öffnung zum Beleuchten der Dinge hatte, welche Dinge der herrschenden Vorstellung nach erst von
Malers Gnaden durch einen mehr oder weniger breiten Lichtstrom aus ihrem ursprünglichen Schatteuzustande
erlöst wurden. Auf diese Art (schier unbegreiflich für die Intelligenz der Gegenwart!) konnte die edle Malkunst
so lange gleichsam mit Brettern vernagelt bleiben. „Sie sind gefallen!", so läßt heute die Presse den Jünger
des Freilichts jubeln, „jetzt endlich kann ich Gottes Natur richtig abbilden, umflutet von dem diffusen Licht
des Tages, in dem alles Körperliche schattenlos ist, es sei denn, daß die Sonne scheint, welche allerdings

*) Als moderne Malerei bezeichne ich die Malerei der letzten 20 Jahre, soweit dieselbe sich im Gegensatz zu
der bis dahin geübten entwickelt hat; als neuere Malerei — nach dem Brauch der Kunstgelehrten — die Malerei unseres
Jahrhunderts überhaupt, so wie sie sich in ihren wesentlichen Eigenschaften noch heute trotz heftiger Anfechtung behauptet.
Wenn ich also von den Neueren spreche, sind die Angefochtenen, wenn von den Modernen, die Anfechter gemeint. Der Gegensatz, in
dem die Malerei auch nach rückwärts, zur älteren Kunst steht, kommt bei diesem kleinen Essay nur nebenbei in Betracht.

Die Kunst für Alle XII, 3. I. November 1896.

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