Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

DOI article:
Knille, Otto: Freilicht, [2]
DOI article:
Nowack, Hans: Die Insel Madeira als Studienplatz für Maler
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0076

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

Die Hnsel Madeira als Studienplatz für Maler. Don Hans Nowack. 53

Wirkliche aufschwingende Einbildungskraft. Der Laie erwartet sie sogar, wissend, das; große Vorstellungen
einen künstlerischen Läuternngsprozeß bedingen, der die Schlacken vom Golde ausscheidet. Das Nichtige mag
ihm im Leben unentbehrlich sein: in der geistigen Höhe der Kunst will er sich dessen Herr fühlen. Derart
empfindet sogar das Volk in seinen breiteren Schichten. Biete ihm eine trivial-täuschende und eine im Schönen
gereinigte Wiedergabe: es greift sicher nach der letzteren! Manchmal kommt mir der Gedanke, ob es nicht besser
wäre, das Schicksal der Kunst auf den trotz aller lastenden Materie immer wieder vorbrechenden Höhensinn
der Masse zu stellen swo wäre die Kultur ohne ihn?j, als auf die launische Gourmandiese von wenigen Tausend,
und ob ein Schaffen aus der Fülle subjektiv überreizter Einfälle bei stetem Liebäugeln mit der Geschmacks-
aristokratie die Kunst nicht eher zum Niedergang bringt, als wenn diese sich von den langsamen Pulsschlägen
des Volks bestimmen läßt. Aber freilich, damit solches möglich werde, müßte bei uns die Erziehung jenen
menschlichen Höhensinn auch ästhetisch zu beleben wissen.

Den Anzeichen uach befindet sich die Freilichtschule bereits im Niedergang— als Mode, meine ich.
Als Kraft, um die neuere Malerei von schlechten Säften und Ermüdungsstoffen zu befreien, ist sie ohnehin
ebensowenig ernst zu nehmen wie ihre an der Epidermis der Patientin versuchte Heilkur. In der Kunst aber
kommt es auf die Kraft an; vielleicht gelingt es, sie bei den modernen Impressionisten und Phantasten
nachzuweisen.

Die Insel Madeira alF Studienplatz für Maler.

von H>ans Nowack. Nachdruck °°rb°.°n.

(sT"ine derjenigen Er-
rungenschaften
der Neuzeit, denen
wir große Sympa-
thie entgegenbringen,
ist ohne Zweifel die
Vervollkommnung
der Verkehrsmittel,
als: Eisenbahnen und
Dampfschiffe; ge-
stattet sie uns doch
heute, eine Reise, die
in früheren Zeiten
außer großen Kosten
und vielerlei Unge-
mach, auch ganz un-
verhältnismäßig viel
Zeit in Anspruch ge-
nommen haben würde,
jetzt mit allem Kom-
fort und geringen An-
forderungen an Zeit
und Geld machen zu
können.

Ist auch eine See-
reise nicht nach jeder-
manns Geschmack —
so hat doch wenigstens
derjenige, der jetzt bei
der »Icknion-r oder
»Oastle lüveL in
London ein Billet
nach Madeira kauft,
das Bewußtsein, zu der Reise, die früher Wochen gedauert
hätte, höchstens 3—4 Tage zu benötigen, und ist die Über-
fahrt (wie meistens der Fall) von gutem Wetter begünstigt,
so wird es ihn gewiß nicht reuen, die paar Tage an Bord
einer dieser Riesendampfer, die bis zum Kap der guten Hoff-
nung hinabgehen, und von denen einige über 7000 Tonnen
fassen und Maschinen von 12 000 Pferdekräften besitzen.

verbracht zu haben. Bietet doch eine Reise auf diesen
mit allem erdenklichen Komfort und Luxus ausgestatteten
Schiffen genug des Interessanten. Von den Hunderten
von Passagieren gehen die meisten bis nach Kapstadt;
alle möglichen Gesellschaftsklassen finden sich da vertreten,
hohe englische Regierungsbeamte, Pastoren, Offiziere,
Geschäftsleute aller Art, und vor allem Leute, die, von
den Gold- und Diamantenfeldern Südafrikas angezogen,
dort irgendwie ihr Glück machen wollen. Man darf
sich aber diese „Goldsucher" keineswegs als solche „Despe-
rados" vorstellen, wie sie sie uns die „Lederstrumpf-
Litteratur" massenweise vorführt.

Die speziellen Madeirapassagiere sind meist Ver-
gnügungsreisende, Leidende oder Mitglieder der hier-
ortigen englischen Kolonie, die von einem Besuch bei
Verwandten in England hierher zurückkommen; außerdem
ist noch, wie begreiflich, oft genug der Gablonzer Ge-
schäftsreisende in mehr oder minder echtem Exemplar
vertreten, der fehlt ja bekanntlich nirgends, und wird
einmal der Nord- oder Südpol entdeckt, so wird gewiß
die erste Person, die den Entdeckern entgegenkommt, ein
Reisender aus diesem kleinen nordböhmischen Städtchen
sein — Kolumbus wenigstens ist es so ergangen — wie
mir einer dieser Herren versicherte.

Lassen wir aber jetzt vorderhand Goldsucher und
Gablonzer Reisende, und wenden wir lieber unsere Auf-
merksamkeit dem Schauspiel zu, das sich uns bei der
Ankunft des Dampfers im Hafen von Funchal bietet.
Statt der in Eis und Schnee gehüllten Winterlandschaft,
die wir vor 3—4 Tagen verlassen, liegt vor uns das
entzückende Bild einer von Sonne und blauem Himmel
verschönten südlichen Hafenstadt. Statt kahler Bäume
üppigstes Grün, statt frierender, in dicke Kleider gehüllter
Menschen, sehen wir die nackten Jungen vor uns, die
sich in der azurnen Flut um unseren Dampfer tummeln
und nach den ins Meer geworfenen Geldstücken tauchen.

Auch das Gebrumme des Nebelhorns, das uns noch
vor wenigen Tagen im Kanal zur Verzweiflung bringen
zu wollen schien, ist verstummt, wir hören dafür die
Rufe der Madeirenser Bootsleute, die uns ihre Dienste

Studie uns Tunchal.
 
Annotationen