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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Schmidkunz, Hans: Wechselwirkungen zwischen Literatur und bildender Kunst um die Wende des vorigen Jahrhunderts, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0133

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Wechselwirkungen zwischen Liiieratnr und bildender Kunst um die wende des vorigen Jahrhunderts.

so gestellten Fragen durch die Ausziehung einiger Grundlinien für die künftige vollständigere Zeichnung zn
fördern versuchen.

Wollen wir uns zunächst ein anschauliches Bild davon machen, was überhaupt solche Wechsel-
wirkungen zwischen der Poesie und anderen Künsten sind, so mag es vorteilhaft sein, der parallelen Bewegungen
zu gedenken, in denen sich vor unseren Augen die gegenwärtige Dichtkunst und Malerei entwickelt haben. Ein
Litteraturkenner von Rang, Professor August Sauer, hat vor einiger Zeit („Deutsche Litteraturzeitung",
1894 Nr. 46) auf die lyrische Sammlung Gustav Falles „Tanz und Andacht", jedenfalls ein charakteristisches
Stück der dichterischen Moderne, als auf eine Quelle für die Erkenntnis der nahen Beziehungen der neuen
deutschen Dichtung zur deutschen Malerei hingewiesen. Aus der Zeit, die jetzt ein Jahrhundert und mehr
hinter uns liegt, ist wohl kaum auf etwas ähnliches zu verweisen, schon weil sie in der Malerei und der
Bildkunst überhaupt nichts ähnliches besaß. Die damaligen Zeugnisse einer engeren praktischen Beziehung
zwischen beiden Kunstgrnppen, wie es die Dichterporträts des biederen Malers Anton Grast (1736—1813)
oder Goethes Worte und Verse zu den Idyllen Wilhelm Tischbeins (1751—1829) waren, sind zwar auch in ihrer
Art eine beachtenswerte Kennzeichnung ihrer Zeit; doch was es damals an tieferen Beziehungen gab, lag über-
wiegend auf theoretischer Seite. Schon die Kleinheit und relative Mittellosigkeit Weimars war der bildenden Kunst
nicht günstig, wie R. Eitelberger in seinem „Goethe als Kunstschriststelter" hervorhebt. Ein Vergleich der chrono-
logischen Übersichten, die sich über die eine und die andere Zeit geben lassen, bezeugen den thatsächlichen Unterschied.

In unseren Jahrzehnten: erst die realistischen Anläufe seit Mitte des Jahrhunderts zu Paris und

München, dann die Entstehung des fran-
zösischen „Impressionismus" gegen Ende
der 60er Jahre, endlich seine Hcrübernahme
nach Deutschland als Glied der großen Er-
neuerung, die um die Wende der 70cr und
80er Jahre über beide Künste, die redende
wie die malende, kam, begleitet von einem
unendlichen Theoretisieren, dessen Zerfahren-
heit sein baldiges Vergessen hoffen läßt; von
beiden Künsten die malende in der Aus-
reifung weit voran. Anders das Zeitgcrippe
vor einem Jahrhundert. In den 50 er
Jahren die ersten archäologischen Bemüh-
ungen Winckelmanns, in den 60 er Jahren
seine „Geschichte der Kunst des Altertums"
(1764) und Lcssings „Laokoon" (1766),
beide maßgebend für die aus der Antike ge
nommcncn oder in sie hineingelcgten Ideale
der Folgezeit; in den 70 er Jahren Goethes
und in den 80 crn Schillers erste Rnhmcs-
wcrke, alle geeignet, jenen Idealen cntgcgen-
zuwirken; Ende der 80er Jahre deren neue
Bereicherungen, wie sie Goethe aus Italien
mitbringt; in der Mitte der 90 er Jahre
(1795) ein Gipfel dieses Zuges: die römische
Ausstellung der Werke des schärfsten Klassi
zisten Asmus Carstens (1754—1797); zwei
Jahre später eine ganze Reihe von Gegen-
zügen, vor allem der Beginn „romantischer"
Schwärmerei für eine der Antike entgegen-
gesetzte gesühlsweiche, christliche Kunst: 1797
Wilhelm Heinrich Wackenroders „Herzens-
ergicßungen eines kunstliebenden Kloster-
bruders", 1798 Johann Ludwig Ticcks
„Franz Sternbalds Wanderungen", 1799
Wackenroders „Phantasien über die Kunst";
in den nächsten Jahren Christentum, Deutsch-
tum und „blaue Blume" nicht minder in
Voyrnkpannrr. von Gustav Lberlein. Blüte als noch kurz vorher das antike
 
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