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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Kirchbach, Wolfgang: Aquarellistische Betrachtungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0211

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Brandung. Nach einem Aquarell von Hans von Bartels.

Ayuarelüsttsche Betrachtungen.

von wolsgang Lirchbach, Nachdruck verdaten.

n Dresden hatte man seit mehreren Jahren Gelegen-
heit gehabt, aus der Veranstaltung internationaler
Aquarellausstellungen einen zusammenhängenden Einblick
in die erstaunliche Entwickelung zu gewinnen, welche
dieser Zweig der Malerei in den letzten zehn Jahren
genommen hat. Mit ihm hat auch die Pastelltechnik
einen Aufschwung erlebt, nach dem man ruhig behaupten
kann, daß das, was im vorigen Jahrhundert durch die
Rosalba Carriera, Liotard, Caffs, Raphael Mengs und
andere auf diesem Gebiete geleistet worden ist, um ein
Erkleckliches durch die Gegenwart übertroffen wird. Die
Aquarelltechnik selbst als eine wesentlich jüngere Kunst,
die erst in unserem Jahrhundert sich zu einer freien,
schöpferischen Kraft erhebt, hat mit Riesenschritten eine
Eroberung nach der andern gemacht, und legt Zeugnis
von einer so mannigfaltigen Ausbildung des künstlerischen
Sehens ab, wie dies die ältere, monumentalere Technik
der Tempera und der Oelmalerei, auch die neueste so-
genannte Freilichtmalerei mit dem Oel, nicht im stände
sind. Es ist kaum zu bezweifeln, daß der Oelbildmaler
weit mehr der Sklave seines Materials ist, als der
Aquarellist; er ist weit mehr abhängig von der Dichtigkeit
des Mittels, mit dem er schafft, und von einer gewissen
Sprödigkeit, mit welcher dieses Mittel den Schein von
Luft, Licht und Raumferne erzielt; und so wird es
immer schwierig sein, das gelegentlich Erblickte mit der
ganzen Freiheit eines unbefangenen Eindruckes festzu-
halten. Eine gewisse Schulmäßigkeit des Sehens, dem-
gemäß stehende Manier, die sich mit einer andren und

neuen in gewissen Zeiträumen ablöst, ist daher immer
in der Begleitung der Oeltechnik aufgetreten. Umsomehr
ist man überrascht, unsre modernen Aquarellisten in
Spanien, England, Italien, Schottland, in Deutschland
und anderen Ländern in einem wahren Freiheits-
taumel des unbefangenen Wiedergebens ihrer aller-
persönlichsten Natureindrücke, ihres individuellen Auges
sich bewegen zu sehen. Ganz erstaunlich ist die Mannig-
faltigkeit, mit der diese Künstler in die Natur blicken,
ganz erstaunlich der Unterschied der Ergebnisse, die sie
erzielen, ganz erstaunlich der Umfang der Erscheinungen,
die sie dem Naturleben abzulauschen wissen und mit der
angenehmen Leichtigkeit ihrer Technik wiedergeben. Und
es fällt dabei von vornherein auf, daß die meisten von
denen, die als Aquarellisten oder Pastellmaler hervor-
ragen und durch die Frische ihres Sehens anziehen, sehr
mittelmäßige Oelbildmaler sind; während es allerdings
mancher Oeltechniker von Ruf zu einer vorzüglichen
Aquarellist!! gebracht hat. Man wird aber bemerken,
daß man in einem solchen Falle den Künstler kaum
wieder erkennt; er ist als Aquarellist fast ganz ein
anderer; er hat zwei Gesichter; er sieht mit anderen
Augen. Es ist der Mühe wert, der besonderen Art in
die Welt zu blicken, zu welche die verschiedenen malerischen
Kunstmittel nötigen, einige Betrachtungen zu widmen
und die Beobachtungen aufzuzeichnen, die sich dabei
ergeben.

Auf den ersten Blick scheint der Aquarellist einen
ganz bedeutenden Vorteil zu haben, zumal, wenn er sich

Die Aunst für Alle XII, 11- 1. März 189?.

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