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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Kirchbach, Wolfgang: Aquarellistische Betrachtungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0216

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von tvolsgang Uirchbach.

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Aquarellstudie. von Ludwig Dill.

namhaften Orten sitzen, daß der Aufschwung, den be-
sonders in Berlin die Aquarelltechnik genommen hat, ein
ganz mächtiger ist. Ja, man darf sagen, daß München,
welches besonders in seinen älteren Meistern, aber auch
vielen jüngeren an der Spitze der Oeltechniker mar-
schiert, als Sitz der aquarellistischen Kunst gegen Berlin
und andere Kunststädte eigentlich zurückgeblieben ist.
Man hat von den Berlinern Dettmann, Skarbina,
Falat, Fehr, Jung, Koner, Leistikow, Hans Herr-
mann, Liebermann, Edgar Mayer, von Souchay
und selbst von Possart, Hans Schleich, Henseler rc. rc.
so manches auf den internationalen Aquarellausstel-
lungen gesehen, was da lehrt, daß die Zeiten vorüber
sind, wo man Berlin als eine Kunststadt ansehen
durfte, die in alten Ueberlieferungen stehen zu bleiben
pflegt. Daß es im Kampfe um die Freilichttechnik
nicht zurückgeblieben ist, davon legen unter anderem
auch Tettmannsche Aquarelle Zeugnis ab, und die letzte
internationale Kunstausstellung in Berlin hat es auch
auf dem Gebiete der Oeltechnik sieghaft bestätigt. Es ist
gewiß erstaunlich, wie Ludwig Dettmann auf zwei Aqua-
rellen: „Aus der Mark" und „Kirschenblüten im Sonnen-
schein" das fabelhafteste Sonnenlicht einer frühlingsklaren
Freilichtstimmung hinzaubert. Es ist kaum denkbar, daß
ein Maler mit Oelfarben je ein solches volles und glaub-
würdiges Licht erzielen könnte, wie es hier die Wasser-
farben leisten. Sieht man zu, wie Dettmann dieses
fabelhafte Licht auf jenen Blättern erreicht hat, so lehrt
es von neuem die interessante Eigenschaft der Aquarell-
technik, welche es so leicht vermag, ein bestimmtes Ver-
halten des Beschauers zur Natur aufs Papier zu bannen
und damit den Eindruck der Wahrheit zu erzeugen.
Schauen wir in Helles Sonnenlicht, auf stark beleuchtete
Flächen, so Pflegen wir um der starken Lichtwirkung
willen eine ganze Anzahl von feineren Farbenunter-
schieden nicht zu detaillieren; wir verhalten uns, zumal
wir nicht lange auf eine unmittelbar beleuchtete Fläche
sehen können, selbst so, als sähen wir nur in starken

Gegensätzen und Flächen. Wir empfinden die Blüten
eines Kirschenbaumes gegen den durchleuchteten Himmel
oder die unmittelbare Wirkung des Sonnenlichts nicht
nach ihrer Form und auf ihre Form hin; sondern das
Licht nötigt uns, auch hier nur die derbsten Licht- und
Farbengegensätze zu erfassen. Dettmann erreicht sein
Licht nun nicht dadurch, daß er etwa äußerst gesteigerte
Farbmittel an sich brauchte, sondern daß er als Aqua-
rellist in der Lage ist, sehr richtig jenen Zustand des
Beschauers festzuhalten. Sowie er im gedämpfteren Licht
malt, sieht er auch eine ganz andere, reichlichere Fülle
von Farbentönungen und Vermittelungen. Wer Blätter,
wie seine „Hamburger Judenbörse", die „Steinstraße"
in Hamburg und anderes von diesem Künstler kennt,
weiß, wie sehr er sich in die feinsten Uebergänge und
farbigen Vermittelungen malerischer Erscheinungen hinein-
zusehen vermag. Dieser selbe Künstler, und andere treff-
liche Aquarellmaler, würde aber in die größten Schwierig-
keiten geraten, wenn er durch Oeltechnik auf ähnliche
Weise sein Licht erreichen wollte. Diese bringt es mit,
schon um des Einschlagens der Farbe und um anderer
äußerer Eigenschaften willen, daß man jenes subjektive
Verhalten des Auges unter gewissen Bedingungen nicht
so leicht festbannen kann; sie verlangt nach körperlicher
Plastik, wie sie auch der Plastik verwandter ist als das
Aquarell; sie ist sinnlicher, üppiger und fleischlicher, eben
deshalb aber sträubt sie sich gegen das Auffassen flüchtiger
vorübergehender Farbenstimmungen. Die alten und neueren
Meister, welche in Oel nur das malten, was einem
gleichmäßigen und ruhigen Lichte ausgesetzt war, einem
Licht, in welchem man auch in der Wirklichkeit erst den
vollen Genuß der Fleischlichkeit und Stofflichkeit der Er-
scheinung findet, sie haben entschieden den richtigsten Takt
bewiesen. Eine der hübschesten und anmutigsten Lehren,
welche man auf den internationalen Aquarellausstellungen
erhielt, ist die, daß viele von den neuesten Bestre-
bungen, welche sich als Impressionismus, Freiluft- und
Lichtmalerei vortragen, im Grunde aquarellistische
 
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