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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Kirchbach, Wolfgang: Aquarellistische Betrachtungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0217

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Aquarcllistische Betrachtungen, von Molsgang Kirchbach. — Sinnsprüche.

sind. Sie entsprechen zumeist dem, was Aquarell und
verwandte Mittel vorzüglich leisten, während sie der
physischen und moralischen Beschaffenheit der Oeltechnik
zum Teil geradezu widersprechen. Niemals wird ein
Aquarellist mit seinen Mitteln im stände sein, jene volle
Fleischlichkeit der Erscheinung, jenes animalische Wirklich-
keitsgefühl einer lebendigen Schönheit zu erzielen, welches
wir im Anblick einer tizianischen Venus empfinden oder
selbst an so manchen Makartschen Schönen erlebt haben;
es ist einfach nötig, um die
volle Schönheit und innere
Kraft menschlicher Körper-
lichkeit oder der Stoffe, die
diesen Körper umgeben, zu
selbständiger Plastik zu er-
heben, daß man jenes neuer-
dings verrufene „Atelier-
licht" herstellt, um in ihm
die ganze Schönheit und
materielle Körperlichkeit der
Tempera- oder der Oel-
^ technik zu entwickeln. Rem-
brandt so gut wie neuer-
dings Lenbach und eine
Reihe vorzüglicher Vertreter
der Münchener Kunst haben
doch wohl eine sehr richtige
Empfindung der wahren
Leistungskraft des Mittels,
mit dem sie wirken. Gegen-
über den Ergebnissen, welche
diese Meister und nun vol-
lends die ganze Reihe der
Tiziane, van Dyks, Rubens
u. a. in Bezug auf die
Fleischlichkeit und ihre iso-
lierte Schönheit, ihre Cha-
rakteristik erzielt haben
müssen alle Versuche des
Freilichts mit dem Ocl sich
nur als Experimente er-
weisen. Es ist richtig:
stellt man eine tizianische
Venus in natura, hinaus
auf einen Acker auf weite
Entfernung und malt sie
im Hellen Sonnenlicht mit
allen Symptomen der dichten, weiten Luftschicht, die
zwischen uns und ihr ist, so erscheint sie ganz anders.
Sie verliert ihre Fleischlichkeit an die Erde, an Lust
und Licht; sie wird ein Stück Landschaft. Aber es
scheint dann auch schon fast ein falsches Bemühen, diesen

luftigeren, leuchtenderen Eindruck mit den schweren Mitteln
des Oeles festhalten zu wollen; jeder moderne Aquarellist
wird beweisen, daß er das Spezifische dieses Eindruckes,
viel sicherer und überzeugender mit seiner Wasserfarbe
wiedergeben kann. Und was die Hauptsache ist, jene Venus
auf dem weiten Freilichtacker ist gerade dadurch, daß sie
ihre animalische Erscheinung an die umgebenden Elemente
von Luft und Licht abgegeben hat, gar keine Venus
im Sinne ihres fleischlichen Schönheitsbegriffes mehr;

mit anderen Worten, die
Oeltechnik ist und wird auch
in Zukunft wesentlich eine
plastische und monumentale
bleiben.

Unser modernes Auge,
welches es so sehr liebt, in
die freie Natur hinauszu-
sehen und alle die leichten
Spiele von Farbe, Luft
und Licht an den Phäno-
menen des Himmels, der
Wolken in Augenblicks-
bildern festzuhalten, hat
freilich mit Recht verlangt,
daß diese Seite der Er-
scheinungen ihren poetisch-
malerischen Ausdruck finde.
Nach den Eindrücken, welche
dieiuternationalen Aquarell-
und Pastellausstellungen
hinterlassen haben, nach den
gesteigerten Hoffnungen, die
sie für die Zukunft dieser
Technik erweckt haben, scheint
in ihr auch eine weit
vollkommenere Möglichkeit
enthalten, die ganze Lyrik
der Naturerscheinungen aus-
zusprcchen, welche man unter
dem Titel impressionistischer
und freilichtartiger Bestre-
bungen kennt. Jede male-
rische Epik und Dramatik
aber, jede Schönheits- und
Charakterkunst, welche
das Dargestellte isoliert,
um gewissermaßen ihren
persönlichen Schönheitscharakter zu geben, wird sich mit
größerem Vorteil der Oeltechnik bedienen und dann un-
willkürlich sich auch jenem Gesetze unterworfen sehen, nach
dem unser Auge alles länger und isoliert Betrachtete auf
größere Tiefe und Wärme der Farbe herabstimmt.

Französische Bäuerin. Nach einem Aquarell von F. Skarbina.

—r Win nfp Lüche. s--—

Nicht zu verständig und nicht zu kühl!

Man schaffe kein Kunstwerk ohne Gesicht.

Mohl überzeugt die nüchterne Mahrhcit
In ihrer schlichten, schmucklosen Klarheit,

Doch kjerzen begeistern und bezwingen
Kann nie dem Verstände allein gelingen,

Die nehmen weit lieber, — verlaß dich draus! —
selbst ein bischen Mystik mit in den Kauf.

A. ^tier.

Gb du hoch im Abendröte
Aus dem Grat der Firnen schweifst;
Gb du tief inr Dampf der Schlote
Nach dem Grau der Erde greifst —
Gb du Dmimelsglück entfaltest
Gder bang im Leide wühlst:

Fühle, Freund, was du gestaltest
Und gestalte, was dn fühlst!
 
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