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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Vermischte Nachrichten - Vom Kunstmarkt - Kunstliteratur u. vervielf. Kunst
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20H

Ausstellungen und Sammlungen. — vermischte Nachrichten.

sollen sür die Zukunft. Lenbach selbst wird, wie wir bereits
meldeten, in einer, mehrere Säle umfassenden, retrospektiven Aus-
stellung, die das Beste enthalten soll, was seit den letzten Jahr-
zehnten in allen Ländern an Kunstwerken geschaffen wurde, sowie
in jenen Räumen, welche der Repräsentation zu dienen haben,
seine Ideen zu verwirklichen suchen. Ihm sich anschließend werden,
von gleichen Prinzipien ausgehend, die Künstlergenossenschaft
im Verein mit der Secession und der Luitpold-Gruppe ein Ge-
samtbild des Kunstschaffens Münchens geben, das, nachdem cs
mehrere Jahre hindurch räumlich getrennt war, in seiner Ge-
schlossenheit und Mannigfaltigkeit besonderes Interesse beanspruchen
dürfte. Dem Kunstgewerbe sollen in Verfolg der von uns in
Heft 11 erwähnten Bestrebungen zwei bis drei Kabinette eingeräumt
werden. lueq

tr. Düsseldorf. Das diesjährige Kostümfest der Künstler,
die berühmte „Malkasteu-Redoute", war nach Annahme aller
Teilnehmer an der glänzenden Veranstaltung das bestgelungene
der letzten Jahre. Die Idee, ein indisches Siegesfest und die
Brautwahl des Radschah zu veranstalten, ging von Carl Gehrts
aus, welcher auch die Oberleitung des Festes übernommen hatte.
Der große Kaisersaal der städtischen Tonhalle war mit phantasievoller
Ausschmückung in eine tropische Landschaft verwandelt worden.
Originell und geschickt war die Umwandlung der gußeisernen
Säulen, welche die Galerie tragen, in schlanke Palmen. Die
Idee der Festausführung bot Gelegenheit zur Entfaltung einer
reichen Kostümpracht. Prächtig wirkte der Festzug des siegreichen
Radschah, welcher, begleitet von Bewaffneten in echten Trachten,
gefolgt von Bajaderen, auf einem mächtigen Elefanten auf goldenem
Throne sitzend, heimkehrte. Ein glänzendes Bild bot sich sodann,
als der Radschah Platz nahm und die Brautwahl unter den vielen
Schönen, deren jede hoffte, die Erwählte zu sein, begann. Die Wahl

Studirnkopf. von Albert Aeller.

des Siegers fiel auf die schone Tochter des gefangenen Fürsten, seines
besiegten Feindes. Unter dem Jauchzen und Jubelrufen des Volkes
kamen Abgesandte aus China und Japan, um dem Radschah
zu huldigen, Bajaderen tanzten, Krieger führten Waffenspiele vor,
und nach einer Ansprache des Radschah wurde das Friedens- und
Versöhnungsfest gefeiert. Nach dem Schlüsse des Festspieles
mischten sich die Mitwirkenden unter die übrigen Festteilnehmer
und das bunte Treiben begann, das den Düsseldorfer Karneval
stets so glänzend inauguriert. UisU

— München. Im Kunstgewerbe-Verein hielt un-
längst Bildhauer Hermann Obrist einen Vortrag über das
Thema: „Stillstehen und Fort schreiten im Kunst g ewer b e".
Fortschritt im Kunstgewerbe, so führte der Vortragende nach dem
Referat der „M. N. N." aus, bedeutet keineswegs eine immer
größer werdende technische Fertigkeit, möge dieselbe sich nun in
der Nachahmung vergangener Stilepochen oder im Milmachen
der meist vom Ausland importierten Mode bethätigen, ein solcher
besteht vielmehr nur im freien schöpferischen Erfinden neuer Formen
von Gegenständen des Gebrauches, neuer konstruktiver Gebilde,
neuer Verzierungsarten in neuen Farben und neuen Materialien.
Diese Art von Fortschritt, die eine Grundbedingung für freudige
Arbeit und Regsamkeit in der Werkstatt des Künstlers, in der
Fabrik und in den Kunstschulen bildet, ist in unserer Zeit nicht
nur wünschenswert, sondern eine gebieterische Notwendigkeit schon
aus kommerziellen Gründen. Die bedrohliche Konkurrenz, die
das Ausland, insbesondere England, unserem Kunstgewerbe
neuerdings macht, sollte uns statt zur wahllosen Nachahmung
fremder Erzeugnisse vielmehr zum Nachdenken ausfordern, welches
die Gründe sind, weshalb uns unsere Nachbarn in so kurzer Zeit
überflügeln konnten. Die größere Selbständigkeit der Fabrikanten
in Sachen des Geschmacks, ihre Unabhängigkeit von den verständnis-
losen Wünschen des großen Publikums haben es in England
ermöglicht, daß man den Markt mit künstlerisch wertvollen Pro-
dukten geradezu gegen den Willen der Käufer erobern konnte,
indem man einfach durch die Masse des auf einmal Gebotenen
dem Publikum den Geschmack der entwerfenden Künstler aufzwang.
Wenn bei uns, wie das zuweilen kommen mag, etwas Originelles
geleistet wird, so bleibt es vereinzelt und deshalb ohne Eindruck
auf den Geschmack der Allgemeinheit oder, was noch schlimmer
ist, es verfällt verständnisloser Nachabmung und kommt nur in
verzerrter Gestalt zur Verbreitung. Der Vortragende ging nun-
mehr auf die einzelnen Gebiete des Kunstgewerbes ein, auf denen
uns die Nachbarstaaten überlegen sind. In der Wanddekoration,
in der Tapetenfabrikation sind es die Engländer, die überall,
nicht zuletzt in Deutschland, sich der Beliebtheit der Käufer
erfreuen. Was ihre Ware auszeichnet und so originell
erscheinen läßt, ist einerseits der koloniale Einfluß, den England
von Ostasien in reichem Maße erfuhr, und dann die glückliche
Fähigkeit des englischen Volkes, das Fremdländische, die zarten
Farben und weichlinigen Formen im eigenen Sinne zu ver-
werten, ihm den Stempel des eigenen Geistes aufzudrücken. —
In gleicher Weise verbreitete sich der Vortragende über
moderne Möbel, Keramik, Zinngeschirr, Bucheinbände u. s. w.
Auf dem Gebiete der Keramik ist bei uns durch die ewige Nach-
ahmung aller möglichen Stil- und Dekorationsarten der gesunde
Sinn sür einfache, aber feine Gefäßsormen abhanden gekommen.
Infolge der sinnlosen Ueberladung mit Dekorationsmotiven, die
hauptsächlich der so verderbliche Einfluß des Barock verschuldet
hat, ist das Konstruktive der Form, wie es sich in der keramischen
Technik mit dem jeweiligen Gebrauchszweck des Gegenstandes be-
gründet, verloren gegangen. Anders in Frankreich. Hier ver-
schmähen es Bildhauer ersten Ranges nicht, dem einfachen Töpfer
Modelle zu neuen sinnvollen Formen zu liefern. Das schöne
Zinn mit seinem sympathischen matten Glanz hat man nach einem
kurzem Aufschwung zum Verständnisvollen neuerdings seiner
besten Wirkung beraubt, indem man den Zinngefäßen eine dem
Material nicht entsprechende Form aufdrängte und diesem durch
ganz oder teilweise Politur seinen eigentlichen Charakter benahm.
Unter ähnlichen Mißständen leidet auch die deutsche Glasindustrie,
sowie die Arbeit in gepreßtem und geschnittenem Leder. Uebcrall
wies Obrist die inneren Gründe für die Ueberlegenheit des Aus-
landes mit eindringender Gründlichkeit nach. Bei dem Engländer
betont er die größere Naivetät, die glückliche Unabhängigkeit von
kunstgeschichtlicher Tradition, vor allem vom Barock und Rokoko,
ferner die Abwesenheit aller schulmäßigen Schablone. Dazu
kommt bei ihm die verstandesmäßig klare Einsicht für den Wert
des Materials, der Sinn sür das Materialechte, während sein
bekannter praktischer Geist sich in dem Zweckentsprechenden der
Form und der Klarheit in dem konstruktiven Gefüge äußert. Bei
 
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