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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Heilbut, Emil: Studie über den Naturalismus und Max Liebermann, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0288

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Studie über den NaturaliFmuF und Max Lieüermann.

von Lerman Lelferich.

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H' / Nachdruck verboten.

seitdem ich in diesen Blättern einen Aufsatz über den Naturalismus und Max Liebermann veröffentlichte,
hat die Arbeit wie die Anerkennung Max Liebermanns erhebliche Fortschritte gemacht. Drei größere
Aufsätze über ihn sind erschienen (neben zahllosen minderwichtigen in deutschen, französischen und englischen
Zeitschriften), drei größere Aufsätze: von Richard Graul, Max Kämmerer^) und W. v. Seidlitz. In der Arbeit Max
Liebermanns giebt es zwei Gebiete, in welchen seit jener Zeit Fortschritte entstanden oder neue Bahnen beschritten
sind: die Darstellung des Tageslichts und das porträtmäßige Darstellen auch von eleganteren Personen. Lieber-
manns Kunst im ganzen ist in fortgesetzter Steigerung begriffen und die Stellung, die wir ihn in der Malerei
Deutschlands einnehmen sehen, ist, seit ich meinen ersten Bericht schrieb, insofern verändert, als ihm jetzt der
Rang vor Uhde wohl allgemein zuerkannt wird. Dies liegt an zwei Ursachen: sowohl daran, daß Liebermann
der Alte blieb, ja, sich noch steigerte, wie auch daran, daß Uhde zurückging. Doch würde, auch wenn Uhde
stehen geblieben wäre, und wir noch Werke von der Feinheit von ihm bekämen, an die er uns gewöhnt
hatte, dennoch die Erkenntnis sich inzwischen Bahn gebrochen haben, daß es heißen muß: Liebermann und
Uhde, und nicht: Uhde und Liebermann. Mehr und mehr ist erkannt worden, daß ungeachtet der feinen Be-
gabung, die Uhde aufwandte und der seelischen Stimmung, mit der er seine Arbeiten dnrchdrang, im Tem-
perament ihm Liebermann unendlich überlegen ist — und aufs Temperament kommt alles an! In der Kraft,
im Adel, in der Besonderheit seiner Kunst stand Liebermann von jeher weit über Uhde. Nur wurden wir
bei Uhde durch seine interessante Themenwahl geblendet; auch wurden wir Liebermann gegenüber durch das
Ungeschick, das er im Anfang zeigte, und nicht immer nur im Anfang, zu seinen Ungunsten beeinflußt. Jetzt
erkennen wir klarer, wie viel mehr wert Liebermann als Uhde ist, als ein Charakter in der Kunst, als eine
Naturerscheinung in der deutschen Malerei. Das wird nicht bemerkt, um Herrn von Uhde zu kränken; aber
man kann es nicht verschweigen, denn es ist ein Erfordernis der Gerechtigkeit, dem Manne, der so oft fast mit
Mitleid „neben" Uhde anerkannt wurde, den Platz, den er in Wirklichkeit behauptet, ausdrücklich zu bezeugen.

So viel über die Stellung Liebermanns zu Uhde. Jetzt zu seiner Stellung in der modernen
Malerei überhaupt.

Bekanntlich wird er jetzt sehr geschätzt. Die deutschen Museen beeifern sich, seine Hauptwerke in ihren
Besitz zu bringen; die Berliner Nationalgalerie nahm noch unter Jordan, was Staunen erwecken kann, die
Flachsspinnerinnen von Liebermann auf, die Münchener
Pinakothek hat die Frau mit den Ziegen, die Hamburger
Galerie hat die Netzflickerinnen und zahlreiche andere
Arbeiten, Leipzig das Bild „In den Dünen", und Han-
nover und Straßburg haben Arbeiten von seiner Hand.

Er ist Mode geworden, zunächst Mode bei den Galerie-
direktoren, noch keineswegs Mode beim Publikum. Die
Direktoren rufen mit lauter Stimme vor diesen Lieber-
mannschen Bildern: ihr müßt sie bewundern. Das
Publikum antwortet darauf freilich mit größerer oder
geringerer Deutlichkeit: wir mögen sie nicht. Das ist
auch selbstverständlich. Je mehr man Publikum ist,
desto weniger kann man sie bewundern; sie haben eine
rauhe Haut; und was in ihnen ist, ist nicht immer so
gut, um die rauhe Haut zu rechtfertigen; sie sind manch-
mal nur rauhe Haut.

Aber gerade diese Außenseite giebt den Bildern
ihr Gepräge als Kultnrerscheinungen; als einen Kultur-
bringer (oder -Wiederbringer) müssen wir Liebermann
betrachten, nicht nur als einen Maler, gerade als Kultur-
bringer ist Liebermann bedeutend.

Was er brachte, ist natürlich keine andere als
eine malerische Kultur. — Doch diese oft rauhe Außen-
seite seiner Bilder ist wie ein Freudenausrnf in einer

*) I. siehe „Kunst für Alle", II. Jahrg., Heft 14 und 15.
"*) Der von Max Kämmerer ist zu geistreichelnd.

Wsx liebermann.

Di- Kunst für All- XII, 15. I. Mai ISstr.

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