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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Levin, Jules: Eindrücke aus den Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0404

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Eindrücke aus den Pariser Salons.

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Die Humanität, das Vaterland und die soziale Idee.

Deckengemälde von Alexis Axilette.

Latour einer der außerordentlichsten und dabei diskretesten
Techniker in seiner Art und wohl bedeutend genug ist, um
sich neben hervorragende Meister der alten französischen
Schule zu stellen, die er vor allen anderen hoch verehrt.
Seine „Phantasie" mit ihrer auf Wolken gelagerten
Göttin und ihren Amoretten macht denn auch ihrer
Konzeption nach den Eindruck eines Entwurfes für ein
Deckengemälde des vorigen Jahrhunderts, mit fühlbarem
Unterschiede in der bei unserem Meister penibler und
nervöser gewordenen Technik. I. P. Laurens zeigt uns
auf ungeheuer großer, in Ausdehnung der Natur fast
gleichkommender Leinwand, ein Stück hügeliges Land, das
von ochsenbespannten Pflügen bearbeitet wird. Einem
Gemälde von dem Zuschnitte des Laurensschen gegenüber
fühlt man sich in unserer Zeit der Staffeleikunst zu dem
Einwande aufgestachelt: Wozu soviel Raum für eine
einfache Sache? Dieser Einwand fällt diesesmal fort,
da der Künstler es verstanden hat, alle Teile seines
Riesenbildes interessant zu machen, und, ohne Tendenz,
durch einfache, fast naturalistische Schilderung eine Vor-
stellung zu geben von der Mühe der Landarbeit, die der
Erde die Frucht und das Leben abringt. Es weht aus
diesem Gemälde der Atem der Kraft, man empfindet bei
seinem Anblicke etwas wie von Natur und Wirklichkeit.
Das entschuldigt alles.

Sonst hat man in den Champs Elysees jeden
Augenblick Gelegenheit zum Ausdrucke des Bedauerns
über verschwendete Zeit, Farbe und Leinwand, nur über
verschwendetes Talent hat man sich nur selten zu be-
klagen. Vielleicht Henri Martin gegenüber, der in
einem öden Bilde: „Jagd nach dem Glücke" eine Menge
zeitgenössischer Typen vorführt, die einem Weibe nach-
laufen, ohne durch dessen Vorzüge irgendwie entschuldigt

zu' sein. Der Maler hat versucht, sein inhaltlich und
koloristisch gleich unbedeutendes, dafür aber sehr auf-
dringliches Werk dadurch interessant zu machen, daß er
es in einer Art vergröbertem Pointillismus gemalt hat,
den man aus früheren dekorativen Arbeiten von ihm
zur Genüge kannte. In diesen letzteren war sein Vortrag
durch die eigentümlichen Lichtwirkungen, die Martin beab-
sichtigte, wohlberechtigt, und doppelt deshalb, weil diese
Wirkungen erzielt wurden. In der „Jagd nach dem
Glücke" liegt zum Pointillismus, selbst zum allergröbsten,
nicht der mindeste Grund vor. Er zeigt sich hier als
eine Manier im schlechtesten Sinne des Wortes, als
ebenso äußerlich und uninteressant, wie irgend eine
andere. Die schweigsame Lyrik, die man in früheren
Martinschen Bildern, besonders den nicht bestellten, ge-
noß, ist aus seinem jüngsten bis auf das letzte Restchen
verschwunden und hat einer Lehrhaftigkeit Platz gemacht,
aus der man auch nicht einmal etwas lernen kann.

Im Champ de Mars sieht es, dem Himmel sei
Dank, etwas anders aus, als in dem Bilderspeicher, in
den sich der Jndustriepalast verwandelt hat. Man fühlt
hier etwas von Freude an der Kunst, man befindet sich
nicht Dingen gegenüber, von denen ihre Verfertiger selbst
nicht recht wußten, warum sie sie machten. Man hört
hier den Pulsschlag lebender, wirkender Menschen, die
nicht in mechanischer Weiterarbeit die gewohnten Bahnen
noch tiefer austreten, sondern neue suchen. Wenn man
die Besichtigung beendet hat, kann man sich ein Bild

Gesandte der Götter.

Mnyr-tNedaillon von Georges Henri Lemaire.

Salon 1897 der Lbainps-Llysees zu Paris.

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Die Kunst für Alle XII.
 
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