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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Levin, Jules: Eindrücke aus den Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0405

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Eindrücke aus den pariser Talons.

LLL

Porlrätbüste. von Jean Baxtiste Belloc.

davon machen, was die moderne Kunstanschaunng be-
herrscht, welche Wandlungen der Geschmack in dem ver-
gangenen Jahre durchgemacht hat, und ungefähr auch,
welche sich für die Zukunft ankündigen. Die französische
Kunst hat sich des weiteren im Vordergründe des Interesses
zu halten verstanden. Sie braucht die sehr gefährlich
aufstrebende englische nicht zu fürchten, sie ist es immer
noch, die nicht nur selbst die interessantesten Werke hervor-
bringt, sondern auch der Kunst anderer Länder die wert-
vollste Anregung gegeben hat.

Seit Turner und Whistler hat die englische Kunst
im Boden ihrer Zeit wurzelnde Maler nicht gehabt.
Man kann von den Präraphaeliten so hoch denken als
man will, man wird zugeben müssen, daß sie eine über-
tragene Kunstrichtung vertreten. Alle ihre Vorzüge hin-
sichtlich der Linie und satter Farbe können nicht vergessen
machen, daß sie sich auf fremde Schultern gestellt haben,
von denen aus sie größer erscheinen, als sie in Wirklich-
keit sind. Sie haben Treffliches geleistet, besonders
durch die Bildung eines Geschmackes, sie haben sogar
verstanden, die alte Form mit soviel neuem Inhalte
anzufüllen, als diese überhaupt tragen konnte. Aber
eine neue Form konnten sie nicht schaffen. Die englische
Kunst wie das englische Kunstgewerbe wurzelt in einem
Aesthetismus, von dem uns volle vier Jahrhunderte
trennen, und der zu dem eigentlichen Endergebnisse, eine
Renaissance in unserem Sinne aus der Frührenaifsance
zu zeitigen, nicht gelangte, auch nicht gelangen konnte,
da er nicht einer natürlichen Entwickelung sein Dasein
verdankt, sondern einer einfachen Ueberlegung, einer Re-
flexion. Und wie die Voraussetzung, so mußte die
Folgerung sein.

Als die französische Kunst sich nach neuen Werten
umzusehcn begann, da waren es nicht die spirituali-
stischen Beklemmungen, die sie belehrten, sondern die ein-

fache Anschauung der Thatsachen, die Wirklichkeit 'in ihrer
ganzen Mannigfaltigkeit der Farbe, der Form und des In-
haltes. Die lebensfreudigen lateinischen Sinne sogen sich
voll mit Thatsachen, die sich tausendfältig in den Individuali-
täten spiegelten, auf die sie trafen; der Realismus und
der Impressionismus sind die Ergebnisse dieses merk-
würdigen Bildungsprozesses. Und wie die französische
Kunst in sich wieder lebendig geworden, so hat sie be-
lebend auf diejenige anderer Länder gewirkt. Davon
giebt der diesjährige Salon des Marsfeldes ein sehr
interessantes Bild. Wir sehen Künstler aller möglichen
Nationalitäten, die Keime, die ihnen der Wind von
Frankreich zugetragen, mehr oder minder selbständig
weiter entwickeln, und selbst dort, wo das befruchtende
Element auf ein bedeutendes Talent nicht getroffen hat,
merkt man den Einfluß, den eine wahrhafte Kultur auch
auf Minderempfängliche auszuüben im stände ist.

In der französischen Malerei finden wir eine klare
Vorwärtsbewegung in einer bestimmten Richtung. Man
will einerseits die durch den Impressionismus neugeschaffene
Empfindung für neue Farbe weiterausbilden und allen
möglichen künstlerischen Aeußerungen einordnen, die Rich-
tungen, die sich auf eine bestimmte dunkle Farbenskala
eingeschworen hatten, gleichsam aufhellen. In der Land-
schaft hat man in dieser Beziehung seit Monet nicht
wesentliche Fortschritte gemacht. Man hat treffliche
Schilderer der Natur, aber sie zeichnen sich nicht so sehr
dadurch aus, daß sie dieser neue Lichter und Farben
entnehmen, als vielmehr dadurch, daß sie die den Stim-
mungen entsprechenden Töne in reicherer Fülle komponieren
und in wahrhaft malerischer Weise vortragen. Die Ruhe
der Landschaft, das La^sa^e intime war zu lange die

Die Malerin louise Vigör lr Brun,
von Georges Lrnest Saulo.
Salon 169? der Lhamps - Llysees zu ssaris.
 
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