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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Levin, Jules: Eindrücke aus den Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0406

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Eindrücke aus den Pariser Salons.

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große Stärke der Franzosen, als daß sich nicht darauf
eine Tradition gebaut hätte. Nicht die ungeheuren Formen
oder die Bewegung der Elemente, sondern die Einfach-
heit, ja Alltäglichkeit ist es, die noch immer der französischen
Landschafterkunst die reichste Anregung giebt. Während
das Charakteristische der großen deutschen Landschafter-
schule war, die Natur gleichsam darzustellen, wie sie den
Menschen als etwas zu Kleines abweist, will die französische
die Natur geben, wie sie sich sorgsam an den Menschen
anschmiegt, sich ihm liebevoll zu eigen giebt, ein feines
Kunstprinzip, da ja schließlich die Natur ihren Inhalt
erst vom Menschen empfängt. Und es liegt ganz in der

infolgedessennoch Beziehungen zurSchulevon Fontainebleau.
In der Technik aber ist seine Abkunft vom Impressionis-
mus ganz deutlich. Seine Schilderungen von Häusern
an bewegten Bächen, über denen das Mondlicht liegt oder
sich verbirgt, stehen auf gleicher Höhe mit den ersten
seiner Arbeiten, durch die er so berechtigtes Aufsehen ge-
macht hat.

Ein direkter Abkomme der französischen Impressio-
nisten ist Childe Hassam, ein Amerikaner, der viel
Sehkraft mit höchster Feinheit der Farbe, bei außer-
ordentlich malerischem, festem Vortrage verbindet. Vier
Bilder von ihm zeugen von einer Eindrucksfähigkeit und

Der heilige Georg, von Georges Berges.

Sache selbst, daß die französischen Landschafter, die mit
Formen sich weniger abgeben, auf die Farbe so großes
Gewicht legen und auf alles, was sich durch sie erreichen
läßt, die Zartheit und Echtheit der Luftwirkung, der Zu-
sammenhang der einzelnen Teile. Man sehe z. B. so
einfache, an sich durchaus nicht großartige Werke, wie
etwa die von Bareau, die fest Zusammenhalten und
doch geradezu von jenen höchst revolutionären Werken
stammen, die das Kopfschütteln aller Gutgesinnten erregten.
Diejenigen wiederum von Thaulow, der das Beste,
was Paris lehren konnte, ausgenommen hat, ohne seine
nordische bäuerliche Natur zu verleugnen, gehen bis zum
Aeußersten in der Erschöpfung der Wirklichkeit, die der
Künstler dadurch festzuhalten sucht, daß er die in der
Natur an sich so verschiedenen und doch harmonischen Töne
auf einen einzigen Grundton zurückführt. Thaulow hat

Tüchtigkeit, die sich den verschiedensten Gegenständen gleich
ernst und erfolgreich zuwendet. Sein Greis in einer
grünen Landschaft hat dieselbe Unmittelbarkeit der Wir-
kung, wie sein gelbgehaltenes Atelier mit Blumen, wie
sein lesendes weißes Fräulein in den Felsen, wie die
technisch meisterhafte „Piazza di Spagnä": Rom mit
den Augen eines ganz Raffinierten gesehen. Auch Pierre
Lagarde hat jene ganze Neigung zur Auflösung der
Farbe in tausend Töne behufs Erhöhung der Leuchtkraft,
die das eigentliche Merkmal der modernen koloristischen
Schule ist. Freilich ist sie bei ihm nicht so groß, wie bei
Childe Hassam, der auf seinem Gebiete vielleicht das
größte Talent ist, das in den letzten Jahren hervor-
getreten. Raffaelli hat sich von seinem Niedergange
in den letzten Jahren erholt. Wieder giebt er halb-
bizarre, sehr nervöse, feinfarbige Phantasien über Pariser
 
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