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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Levin, Jules: Eindrücke aus den Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0407

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Eindrücke aus den Pariser Salons.

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Die Vermählten, von Vttilie Roederstein.

Themen. Das Schematische, das sich bei ihm zeigte und
wohl eine Folge allzugroßer Arbeit war, ist wieder einer
freien Phantasie gewichen, und wenn der Marsfeldsalon
neue Kräfte bei der Arbeit zeigt, so ist es nicht seine
unangenehmste Seite, daß er uns von der verjüngten
Schaffenskraft lange Anerkannter unterrichtet. Menard
bleibt seiner früheren Anschauung, daß die Landschaft ein
Dekorationsstück ist, treu und überträgt seine Eindrücke
in einer ganz eigenen Ausdrucksweise. Einheit des Tones,
Abschwächung der Gegensätze, Zurückführung der Formen
bis zur Einordnung in eine Linie, sind die Eigentümlich;
leiten seiner unter leichtem japanischem Einflüsse stehenden
Arbeiten. Sie leiten über zu denjenigen, die der
französischen Kunst und ihren Ablegern eine Gestalt
geben wollen, die sehr charakteristisch und interessant zu
werden verspricht. .

Mit großer Einsicht in Farbe und Form der Wirklich-
keit allein glauben eben eine Anzahl Leute keine rechte
Kunst mehr machen zu können. Die Gefahr liegt nahe
für oberflächlich Urteilende, die realistisch-impressionistische
Schule für abgeschlossen und. ihre Abwirtschaftung für,
vollendet zu erklären. Die paar Künstler, von denen die
Rede war, beweisen das Gegenteil, und Piet, ein junger'
Maler, hat sogar verstanden, in seinen Marktscenen eine
ausgezeichnete Personencharakteristik, wie sie etwa Millet
in höchster Meisterschaft entwickelte, mit einer Farben-
gebung zu verbinden, die im Grunde auf den unbeirrten
Bestrebungen der Naturalisten beruht, da sie nicht erträg-
lich wäre, wenn sich unsere Augen nicht unter Leitung
der jüngeren, jetzt schon fast alten Koloristen für sie
gleichsam vorbereitet hätten. Den Tod einer Bestrebung
zu verkünden, ist immer gewagt, wenigstens in der Kunst,
und da wir vor einer neuen, sogenannt idealistischen stehen,
einer, die der sinnlichen Farbe fast nazarenisch entsagen
zu wollen scheint, doppelt. Denn nicht schwer ist es

zu zeigen, wie etwa Maurice Denis, der
bedeutendste Linienkünstler des diesjährigen
Salons, schließlich doch wenigstens in seiner
Farbe den neuen Anschauungen alles ent-
nommen hat. Die junge dekorative Klein-
kunst mit ihren schematisierenden Neigungen
ist eine rechte Tochter jener, und sie hat wieder
besonders durch ihre Lithographien, die zur
Sparsamkeit in den Tönen aus rein tech-
nischen Gründen zwingen, eine Farbcncmpfin-
dung großgezogen, die in Maurice Denis zu
außerordentlich sprechendem Ausdrucke sich
durchringt. Sein Porträt einer Dame, das
sein Modell dreimal in verschiedenen Stel-
lungen zeigt, ist nicht nur durch seine Auf-
fassung der Figur, von der nur ein ideales
geistiges Abbild gegeben, rein dekorativ durch
Ucberwiegen der Linie, sondern auch durch die
Abschwächung der Farbe fast zu einem Neutral-
ton. Wie der aber herbeigeführt ist, wie seine
Schaffung eine Folge eines fast zur Rückkehr
in die Einfachheit gezwungenen, malerischen
Raffinements ist, beweist das koloristische
Interesse, das man für das Werk empfindet,
und zwar in allen seinen Teilen. Bis zur
Wirklichkeitswirkung ist die Malerei gesteigert
in einer dreifachen Aktstudie nach demselben
Modelle, die, zu einem Bilde vereinigt, den
jungen Frauenkörper in der zarten Beleuchtung der
Morgensonne zeigt. Nur eine für feinste Schwingungen
eingeschulte Phantasie konnte, bei den geringen Mitteln,
wie Denis jsie verwendet, diese Fülle von Einzelheiten,
die sich in das Ganze widerspruchslos einordnen, sich

Das Erwachen, von I. L. R. Villeneuve.
 
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