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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Tschudi, Hugo von: Die Jahrhundert-Ausstellung der französischen Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0014

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DIE JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG

der Kunst etwas zu bedeuten haben, auf die
Verkannten, die spät Erkannten und auch dieUn-
gekannten. Hier hätte die Zurückhaltung der
Staatssammlungen kaum störend gewirkt. Frei-
lich, welche glanzvolle Namen wären da ver-
schwunden! Wo wären Delaroche, Horace
Vernet, Ary Scheffer geblieben? Was hat
neben Millet Jules Breton zu suchen, die
Rosa Bonheur neben Troyon? Was verdankt
die Kunst einem Bouguereau, Geröme, Carolus
Duran? Es ist die Frage, ob neben Manet
Bastien Lepage etwas zu bedeuten hat, sicher
bedeutet L'Hermitte nichts neben Bastien
Lepage. Ein fürchterliches aber wohlthätiges
Gericht wäre es gewesen. Man hätte Platz ge-
wonnen für die wirklichen Helden der französi-
schen Malerei, deren Vertretung man nicht
dem Zufall oder der Auswahl der letzten
Stunde überlassen durfte. Eine Vereinigung
des Besten, was diese geschaffen, hätte ein
Bild von eigenartiger Grösse und fesselndstem
Reiz geboten. Wie wären die Zusammen-
hänge klar, die treibenden Kräfte erkennbar
geworden! Wie deutlich hätte sich das kon-
sequente, das ganze Jahrhundert beherrschende
Ringen nach einer über alle Tradition hinaus-

gehenden Naturwiedergabe, die Stellung und
Lösung neuer künstlerischer Probleme ge-
zeigt. Eine solche Ausstellung wäre nicht
eine Illustration der französischen Künstler-
geschichte gewesen, sondern eine monumen-
tale mit den Werken der Meister selbst ge-
schriebene Kunstgeschichte.

Trotz alledem bot die Centennale nach
dieser Richtung eine Menge des Anregenden
und Neuen, das ein künftiger Historiker der
französischen Malerei nicht unbeachtet wird
lassen dürfen. Es soll im folgenden mit
Vorliebe auf solch unedierte Kapitel ver-
wiesen werden, obwohl es sich hier nicht
darum handeln kann, Lehren aus einer Aus-
stellung, wie sie hätte sein können, zu ziehen,
sondern einen Ueberblick über das zu geben,
was da war.

Von all den Malern des vorigen Jahrhun-
derts, die mit ihrer Thätigkeit noch in dieses
hineinreichen, weckt nurjACQUES Louis David
ein starkes Interesse. Die übrigen, wie
Valenciennes, Vien, Fragonard, Greuze (mit
einem jugendlichen, süsslichen Napoleon, der
ein Bruder der „Cruche cassee" sein könnte),
wirken wie Anachronismen. David aber, in

BOISSARD DE BOISDENIER
(1813-1866)

EPISODE AUS DEM RÜCKZUG
VON MOSKAU (Salon 1835)««««
 
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