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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Leitgeb, Otto von: Wilhelm Leibl, [3]: persönliche Erinnerungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0328

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otto greiiner lithogr.

WILHELM LEIBL

Persönliche Erinnerungen von Otto von Leitgf.b
(Schluss v. S. 288 d. vor. Heftes)

Oefter besahen wir moderne, illustrierte Blätter,
unter anderen auch den Simplicissimus und die
Jugend . Da äusserte er manchmal Urteile. Wie
bescheiden klang es, wenn er von einem jungen
Zeichner sagte: Vor dem habe ich Respekt! So
was ist mir lieber als viele Bilderic Und von
späteren Zeichnungen desselben: Das ist merk-
würdig! Er macht eben zu viel. Das verstehe ich
nicht! Es sieht so aus als ob er sich selbst nach-
machte!<

Wir sprachen von den Vorwürfen. >Alles lässt
sich in der Kunst verwenden , sagte er. Jeder
Moment, den man erlebt, jedes Ding, das man sieht.
Was gäbe das für ein Bild, wenn ich einen Kopf
malen könnte, so, wie Sie jetzt dasitzen, das offene
Fenster im Rücken, mit der Sonne auf dem Herbst-
laub draussen!«

Bei einer Zeichnung eines Dresdner Malers
sagte er: >Der hat mich einmal in Kutterling be-
sucht. Auf einmal stand er in meiner Stub' drin.
Da hab' ich ihn nur so angeschaut — er hat gesagt:

Ich geh' ja gleich wieder--ich hab' ja gar nicht

gewusst, wie er hereinkommt. Dann hat er von
Paris erzählt —«.

Diese Zeichnung nun gefiel ihm aber sehr, er
nannte sie tüchtig und setzte hinzu: Ja, wenn ich
das damals gewusst hätte, dass er so etwas machen
kann—!«. Er hätte den Besucher also wohl besser
empfangen, wenn er seine Arbeiten gekannt hätte.

Von einem vielgenannten Modernen, für den
ich mich erwärmte, meinte er:

>Es ist doch zu viel Manier an ihm. Das ist's
eben! Viele von ^diesen glauben auch wirklich alles,
was man von ihnen schreibt. Die müssten sich ja
schliesslich beinahe vor sich selber fürchten, was
sie für Grössen sind —1<

An Zeichnungen von Julius Diez freute er sich.

Ich wollte ein Wort von ihm über moderne
polychrome Skulptur und Polystenie hören. Seine

(Nachdruck verboten)

Aeusserung ist ganz bezeichnend. >0 ja! ent-
gegnete er, wenn es nur schön ist!<

Beim Durchblättern von Holbeins Rötelzeich
nungen von Windsor (in der Hanfstaenglschen Aus-
gabe) gebrauchte er einen treffenden Ausdruck.

Sehen Sie«, sagte er, auf ein besonders fein ge-
zeichnetes Frauenantlitz deutend, ?hier ist er mit
dem Stift nur so gehuscht über das Papier. Doch
war er der Meinung, dass einige Blätter dieser
Sammlung nicht wirklich von Holbein herrührten.
Ueber dessen Morett in der Dresdener Galerie rief
er: »Da steht einem der Verstand still, so etwas ist
das! — Und alle grossen Alten haben die Hände
mit Kunst gemalt. Die Hand ist so charakteristisch
wie das Gesicht.- Eine schmerzliche Erinnerung
zuckte auf seiner Stirn. Und gerade an dem Bilde,
das ich nie mehr werde vollenden können, wollte
ich so mit ganzer Liebe wieder Hände malen —'.<■

Mit Bewunderung sprach er von Rethel. Bezüg-
lich Rembrandts meinte er, dass auf der Amster-
damer Ausstellung (die er besucht hatte) wohl auch
einige Bilder, deren Echtheit nicht zu verbürgen
sei, zu sehen gewesen.

Ich fragte einmal, wen er w'ohl für den grössten
Porträtmaler halte.

Er entgegnete: Man muss die Grossen in ihrer
Art betrachten, jeden in der seinen.

»Gut. Wenn es aber eben darauf ankäme?«

»Vielleicht doch Velazquez , entgegnete er. Bei
dessen Bilde ;Reunion de los Bebedores sagte er:
»Ha! Das ist ein Bild! So eines wird nie
mehr gemalt!«

Velazquez' Bilder hatte er beinahe alle in guten,
grossen Photographieen bei sich.

Ich fragte, ob er die Holländer Kleinmaler möge.

»Das meine ich! Brouwer!« antwortete er. —

In diesen Tagen, wo draussen die fröhlichen
Herbstjagden angingen, wurde ihm nun unendlich
schwer zu Mute. Am 23. Oktober trafen tclegraphische

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