-*-5ö> DIE MÜNCHENER KUNST IM XX. JAHRHUNDERT
HENRY MORLEY BEIM PFLÜGEN
(Münchener Glaspalast 1901)
DIE MÜNCHENER KUNST IM XX. JAHRHUNDERT
Von Friedrich Pecht
(Nachdruck verboten)
VVTas wir von der Kunst des zwanzigsten naturalistische Richtung sich schon damals
" Jahrhunderts einzig und allein mit Be- die Herzen der Münchener unbedingt ge-
stimmtheit wissen, ist, dass sie ihrer unmittel- wann. Cornelius aber hatte den grössten
baren Vorgängerin in keinem Stücke gleichen, aller Romantiker, den König Ludwig, damals
vielmehr einen direkten Gegensatz zu derselben zu Anfang der zwanziger Jahre noch durchaus
bilden wird. Denn angefangen hat diese Kunst für sich, obwohl ihm dieser durch die Auf-
allerdings schon in den neunziger Jahren. Die gäbe, die von Klenze neu erbaute Glyptothek
Kunst des neunzehnten Jahrhunderts war mit Fresken zu schmücken, ein ihn von aller
wesentlich eine von den Kunstgelehrten be- nationaler Tendenz weit abführendes Problem
stimmte und entbehrte fast durchweg der stellte. So entstund denn der Cornelianische
Originalität. Mit der sogenannten Bieder- Klassizismus, der noch dadurch verschlimmert
meierkunst, einer sehr philiströsen Nach- ward, dass sein Meister nicht etwa gut oder
ahmung der Antike beginnend, die man heute schlecht, sondern offenbar gar nicht malen
nur noch an einzelnen Häusern unserer Stadt konnte. Der Schmuck der Ludwigskirche
sieht, ging sie dann unter der Leitung des mit Bildern aus der christlichen Mythe führte
Akademiedirektors Langer zu der gerade damals zwar den Meister dem Deutschtum wieder
in Paris herrschenden Davidschen Richtung näher, war aber doch nicht geeignet, seinen
über, die ein affektiertes Römertum an die neu entstandenen Klassizismus zu beseitigen
Stelle des Hellenismus gesetzt hatte. Sie oder ihn malen zu lehren. So verlor König
wurde durch die Romantik unter Cornelius Ludwig die Geduld und Hess Kaulbach an
abgelöst, der mit seiner starken Persönlich- seine Stelle treten, d. h. ein glänzendes Talent
keit bald alle anderen Richtungen bei Seite an die Stelle des Genies. In München be-
schob und das, obwohl eine gesunde, nur thätigte Kaulbach dasselbe bloss durch seine
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HENRY MORLEY BEIM PFLÜGEN
(Münchener Glaspalast 1901)
DIE MÜNCHENER KUNST IM XX. JAHRHUNDERT
Von Friedrich Pecht
(Nachdruck verboten)
VVTas wir von der Kunst des zwanzigsten naturalistische Richtung sich schon damals
" Jahrhunderts einzig und allein mit Be- die Herzen der Münchener unbedingt ge-
stimmtheit wissen, ist, dass sie ihrer unmittel- wann. Cornelius aber hatte den grössten
baren Vorgängerin in keinem Stücke gleichen, aller Romantiker, den König Ludwig, damals
vielmehr einen direkten Gegensatz zu derselben zu Anfang der zwanziger Jahre noch durchaus
bilden wird. Denn angefangen hat diese Kunst für sich, obwohl ihm dieser durch die Auf-
allerdings schon in den neunziger Jahren. Die gäbe, die von Klenze neu erbaute Glyptothek
Kunst des neunzehnten Jahrhunderts war mit Fresken zu schmücken, ein ihn von aller
wesentlich eine von den Kunstgelehrten be- nationaler Tendenz weit abführendes Problem
stimmte und entbehrte fast durchweg der stellte. So entstund denn der Cornelianische
Originalität. Mit der sogenannten Bieder- Klassizismus, der noch dadurch verschlimmert
meierkunst, einer sehr philiströsen Nach- ward, dass sein Meister nicht etwa gut oder
ahmung der Antike beginnend, die man heute schlecht, sondern offenbar gar nicht malen
nur noch an einzelnen Häusern unserer Stadt konnte. Der Schmuck der Ludwigskirche
sieht, ging sie dann unter der Leitung des mit Bildern aus der christlichen Mythe führte
Akademiedirektors Langer zu der gerade damals zwar den Meister dem Deutschtum wieder
in Paris herrschenden Davidschen Richtung näher, war aber doch nicht geeignet, seinen
über, die ein affektiertes Römertum an die neu entstandenen Klassizismus zu beseitigen
Stelle des Hellenismus gesetzt hatte. Sie oder ihn malen zu lehren. So verlor König
wurde durch die Romantik unter Cornelius Ludwig die Geduld und Hess Kaulbach an
abgelöst, der mit seiner starken Persönlich- seine Stelle treten, d. h. ein glänzendes Talent
keit bald alle anderen Richtungen bei Seite an die Stelle des Genies. In München be-
schob und das, obwohl eine gesunde, nur thätigte Kaulbach dasselbe bloss durch seine
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