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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Kunst im XX. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0592

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-s-S£> DIE MÜNCHENER KUNST IM XX. JAHRHUNDERT <&S~*.

die Geschichte der Münchener Malerei dar-
stellenden Fresken an der neuen Pinakothek.
Glücklicherweise sind sie bereits vom Wetter
vernichtet, da ihre Prophezeiungen jetzt schon
überall widerlegt sind. Während dieser Zeit,
d. h. bis zur Mitte der vierziger Jahre hatten
Peter Hess und seine Nachfolger, sowie Bürkel,
Rottman und andere den Naturalismus bereits
zu einer Reihe von glänzenden Erfolgen ge-
führt, deren Zeugen merkwürdigerweise sich
fast alle erhalten haben. Durch sie war all-
mählich dieOelmalerei an die Stelle des Freskos
getreten und eine wirklich nationale Kunst
geschaffen worden. Um diese Zeit begann aber
auch der Einfluss der belgisch-französischen
Kunst in der unserigen immer bedeutender
zu werden. Als sein grösster Repräsentant
kann Karl v. Piloty gelten, der zwar das
durch Cornelius und Kaulbach eingeführte
theatralische Element, das Posieren, in der
Kunst nicht zu ändern imstande war, aber
durch seine Verdienste um die Oelmalerei
erst die Bildung einer eigentlichen Münchener
Schule ermöglichte. Die seinige wurde kolossal,
grösser als man sie in Deutschland jemals
gesehen und enthielt eine Reihe von Talenten,
wie sie unserer Kunst auf immer zur Ehre
gereichen werden. Was er nicht aufzugeben

verstund, das Komödienspiel in der Kunst,
das lernten die einzelnen Schüler allmählich
als solches erkennen und vermeiden. Eben-
so lernten sie allmählich, sich immermehr
auf das nationale Leben zu beschränken.
Damit war die Entstehung einer wahrhaft
volkstümlichen Kunst erst ermöglicht, wie
sie das zwanzigste Jahrhundert uns zu bieten
haben wird. Nicht am wenigsten trug zu
dieser Entwicklung die inzwischen erfolgte
Bildung einer grossen Landschafterschule bei.
Denn, wenn Rottmann, der erste grosse Land-
schafter, nicht aus den Gebrechen der da-
maligen Historienmalerei herauskam und vor
allem niemals ein eigentlicher Kolorist ward,
so besass sein grosser Nachfolger Schleich
nicht nur ein hochbedeutendes koloristisches
Talent, sondern er führte die Schule auf den
einzigen, richtigen Weg, auf die nationalen
Aufgaben zurück. Denn, wenn wir die Kunst
aller übrigen Völker betrachten, so finden
wir, dass sie, so verschieden sonst auch immer,
doch beständig national war, weil man eben
auf keine andere Weise lebendig und wahr
bleiben kann. Ob Raffael die Madonna di San
Sisto in Trastevere hole oder Rubens seine
römischen Helden unter den Antwerpener
Seeleuten, ob Murillo seine Madonnen in

FRANCESCO SARTORELLI ABENDDÄMMERUNG

(Münchener Glaspalast 1901)

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