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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Katsch, Hermann: Zur Naturgeschichte des "Putt"
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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Von Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Vermischtes
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0133

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-^SÖ> ZUR NATURGESCHICHTE DES „PUTT" <^»~

verschwiegen dem Treiben unter ihnen zu-
schauten.

Wenn wir so manche Darstellungen des
in Rede stehenden Gegenstandes in unserer
Zeit betrachten, so sehen wir einen grossen
Unterschied in der Erscheinung der Putten.
Die naturalistisch sein wollenden sehen rha-
chitisch, skrophulös und so aus, dass wir an
alle die an Häusergiebeln und Strassenecken an-
gepriesenen Kindernährmittel denken müssen,
von Raffael bis Boucher können wir uns aber
die Kinder nicht anders als auf dem von der
Natur vorgeschriebenen Wege genährt vor-
stellen. Die Künstler, die in den grossen
Städten leben, denen wird ein gesundes
Bauernkind wohl nie als Modell gebracht,
sondern schlecht genährte arme Würmer
schlecht genährter, darbender Eltern. Es ist
deshalb erklärlich, dass ein elendes Kind,
treu wiedergegeben, künstlerisch besser ge-
fallen mag, als ein nach elendem Modell,
mit Hilfe von Reminiscenzen der klassischen
Vorbilder „ideal" gemalter Putt. Es ist des-
halb für diejenigen, die der Elendmalerei
abhold sind und die doch das Streben haben,
nur an der Hand der Natur zu schaffen, un-
erlässlich, sich schöne Modelle zu suchen!

Die Frage der Beschaffung eines wirklich
guten, vielleicht schönen Modells ist wich-
tiger für die Gestaltung unserer Kunst als
viele glauben. Gemeinhin hält man alles,
was man „ausgezogen" sehen kann, für ein
Modell, aber, du lieber Gott, wie selten ge-
nügt die Natur, die uns zu Gebote steht,
auch nur bescheidenen Ansprüchen an Schön-
heit, und die Auswahl ist so gering, dass ein
Künstler, der einen ausgeprägten Geschmack
besitzt und nur, wenn ihm sympathische
Formen geboten werden, mit Gelingen arbeitet,
oft würde feiern müssen, wenn er nicht eben
zum Modell nimmt — was kommt! Aus-
gestorben ist aber das Geschlecht der Putten
nicht: wer zur Sommerszeit ein deutsches
Dorf, das nicht zu nahe an einer grossen
Stadt gelegen ist, betritt, wird sich bald von
einer Glorie nicht immer Raffaelischer, aber
doch solcher Putten umgeben finden, wie sie
den grossen Meistern als Modelle zu Gebote
standen. Hermann Katsch

FARBENSTRICHE

Die Dilettanten sterben nie aus, auch nicht unter
den „Künstlern".

Nicht nur in den Farben, auch in den Kunst-
stätten giebt es einen Lokalton.

Peter Sirius

PERSONAL- UND

ATELIER-NACHRICHTEN

tz. DÜSSELDORF. Prof. Eduard von Geb-
hardt hat jetzt das zweite grosse Wandgemälde
im Chor der neuerbauten Friedenskirche vollendet.
Das Bild, das wir nebenstehend nach dem Karton des
Künstlers reproduzieren, ist ein ebenso vollendetes
Meisterwerk, wie die (von uns i. H. 18 d. XIV. Jahrg.
veröffentlichte) >Transfiguration<, zu dem es das eben-
bürtige Seitenstück bildet. Dass Eduard von Gebhardt
den von ihm gewählten Gegenstand bildlich abwei-
chend von der hergebrachten konventionellen Dar-
stellungsweise gestalten würde, ist bei diesem Meister
selbstverständlich. Seine Darstellung der Taufe im
Gewässer des Jordan ist so eigenartig, wie alle seine
Bilder aus der heiligen Geschichte. Wir sehen Jo-
hannes den Täufer, in kurzem, härenen Gewände am
Rande des Jordans stehend, wie er prophetisch, mit
leidenschaftlich ausdrucksvoller Gebärde auf die ganz
oben im Bilde sichtbare Gestalt Christi hinweist,
den ersehnten Messias, dessen Nahen er verkün-
digt. Die Schar der zur Taufe gekommenen buss-
fertigen Männer, alle in reine, weisse Taufhemden
gekleidet, sind nur von dem Gedanken an ihre Taufe
erfüllt. Ihre Blicke folgen nicht der auf Christus
hinweisenden Gebärde des Täufers. Dieser sieht
den Ersehnten, Kommenden leibhaftig. Die andern
werden ihn erst erkennen, wenn er unter ihnen
wandelt. Dass Christus nicht wie eine Vision, traum-
haft erscheint, sondern in natürlicher Erscheinung,
in schlichtem roten Gewände kommt, in einer
waldigen Umgebung, ist echt >Gebhardtisch« ge-
dacht. Seine grosse Stärke in der Individualisierung
zeigt Gebhardt in der Darstellung der Männer,
welche kommen, um Busse zu thun, und durch die
Wassertaufe, durch Johannes geweiht zu werden
für das bevorstehende Gottesreich, das der Täufer
verkündigt. Die noch nicht Bussfertigen stehen
abseits, noch zweifelnd und erwägend die einen,
teilnahmslos oder weltlichen Sinnes die anderen.
Auch diese Gruppe ist ganz Gebhardtisch erdacht
und dargestellt, stark im individuellen Ausdruck.
Die technische Behandlung des mit den Gerhardt-
schen Caseinfarben gemalten Bildes, die Koloristik,
zeigt die hohe Reife der Gebhardtschen Kunst. Es
ist zu verwundern, dass dieser Meister erst ver-
hältnismässig so spät zur Monumentalmalerei kam.
Seine Bilder im Kloster Loccum waren die ersten
Werke dieser Art von seiner Hand. Diese neuen
Gemälde in der Friedenskirche zeigen, dass
Eduard von Gebhardt ein vornehmer Monumental-
maler ersten Ranges ist. In Bezug auf Koloristik hat
der Meister hier wohl das Vollendetste, was wir von
ihm kennen, geschaffen. — Professor Fritz Roeber
hat jetzt die acht grossen Wandgemälde für die Aula
der Akademie in Münster in Westfalen vollendet,
welche ihm gemeinschaftlich vom Staat und vom
Kunstverein für die Rheinlande in Auftrag gegeben
hatte. Beide Teile tragen zur Hälfte die Kosten
der Ausführung dieser vorzüglichen Gemälde,
die wohl das Reifste sind, was Fritz Roeber bisher
geschaffen hat. Die fünf Bilder auf der Hauptwand
der Aula stellen die Wissenschaften dar; das Mittel-
bild die Alma mater, umgeben von Professoren und
Studierenden, welche den Treueid leisten. Die vier
anderen Bilder stellen allegorisierend die Geschichts-
wissenschaft, die Naturwissenschaften, die katholische
Theologie und die Rechtswissenschaft dar. Fritz
Roeber offenbart in diesen geistvoll komponierten
allegorisch-symbolischen Darstellungen seine reiche,
künstlerische Phantasie, seine starke Gestaltungs-

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