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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Katsch, Hermann: Zur Naturgeschichte des "Putt"
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0132

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■w-S^g> ZUR NATURGESCHICHTE DES „PUTT" -CSsu^

gelingen diese Darstellungen einigen doch Schädelteil ist kaum bei Neugeborenen in

vorzüglicher, indem sie dieselben zu einem diesem Verhältnis zu finden, und doch steht

Typus ausbilden. Allen aber, denen der Putt das Geschöpfchen in voller Lebenswahrheit

so vorzüglich gelingt, wohnt ein Hebens- vor uns! Auch die von dem gewissenhaften

würdiger, schalkhafter Humor, bald zarterer, Schadow so stark betonte Thatsache, dass

bald derberer Art inne. Es würde aber zu eine von der Mittellinie des Körpers gefällte

weit führen, hier die Mass- Senkrechte die innere Wade

unterschiede der Putten, wie $!J\ beim Kinde nie berührt, son-

dieselben von den einzelnen dern erst im reifsten Mannes-

Künstlern dargestellt wurden, alter, finden wirbei den besten

detailliert mitzuteilen. Nur Puttendarstellern vernach-

so viel sei gesagt, dass die Ab- nw^t* Ä ' v lassigt. Am meisten natura-

weichungen von den nach der " / y - listisch wirken wohl Tiepolos

Natur gewonnenen Massen / Putten, der in der Darstellung

vollständig individuell und graziöser Unbeholfenheit des

bei jedem Künstler wieder- Kinderkörpersmeisterhaftist,

kehrend sind. Beispielsweise der ganze Scharen solcher

haben Raffaels Putten (s. Abb. [ - possierlichen Kerlchen in

a. S. 120), die den Längen- allen erdenklichen Stellungen

massen des dreijährigen und Verkürzungen an seine

Knaben (s. d. Abb. nach Plafonds heftete und der da-

Schadow a. S. 120) genau mit wieder bewies, dass das

entsprechen, eine starke Ab- dekorative Element die rechte

weichung von der Norm in ißf Heimat für die Putten ist.

der Hüftenbreite, eine Ab- Erwähnen wir dann noch

weichung, die bei einem die Putten von Boucher und

lebenden Kinde ca. 5 cm be- putt nach tiepolo du Quesnoy, so haben wir

tragen würde. Ob nun be- wiederum einer besonderen

sonders gut genährte Modelle dem Künstler Species gedacht. Boucher malte Putten, die

zur Verfügung standen, ob die breitere Hüfte wohl auch einmal schnarchend mit offenem

angenehmer in der Linie auf den Meister Mäulchen in den Wolken liegen, während

wirkte, ob er den Kindern dadurch ein etwas wir uns eines derartigen Benehmens von

babyartiges Aussehen geben wollte, das ist Seiten etwa eines Raffaelischen Putt kaum

müssig zu untersuchen, er hat es so gewollt gewärtigen werden. Diese wirken trotz

und damit jenen unvergleichlich schönen kindlichen Ausdrucks doch so wohlerzogen,

Typus der Raffaelischen Putten geschaffen. so von der erlesenen Gesellschaft, in wel-

Ebenso gerät man mit den in der Natur vorge- eher sie sich bewegten, überzeugt, dass sie

fundenen Mas- sich nie einen

sen in Konflikt, Verstossgegen

wenn man den |[die höfische

nebenstehend Sitte zu schul-

hier abgebilde- den würden

ten Putt von kommen las-
Tizian nach- sen. Das leicht-
misst. Das Gros- fertige Völk-
senverhältnis zu chen aber, wei-
den zugehörigen ches in den
Erwachsenen Räumen lebte,
ergiebt für den- für welche
selben ein Alter, Bouchermalte,
das zwischen wird wohl auch
acht und zehn mit einem Ver-
Monat liegt, und stoss gegen
doch steht das den guten Ton
Kindchenschon, milde gewesen
die Teilung des sein, wenn die
Kopfes in Ge- Putten im üb-
putt nach tizian sichts- und rigen nur fein putt nach du quesnoy

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