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eines im knallroten Golf kostüm, die scharfe Charak-
teristik fast bis zur Karikatur übertreibend, ein die
altenglischen Porträtmaler nicht ungeschickt nach-
ahmendes Damenporträt von Ferraris und die
übliche Anzahl von unbedeutenden charming
Damen in weiss und rosa. Für ein derartiges
Doppelbildnis von sich selbst und ihrer Schwester
erhielt die Tochter des alten Akademiepräsidenten
Hart den Dodge-Preis.
Schwach wie gewöhnlich ist die Bildhauer-
Abteilung beschickt. Doch fallen eine ungemein
lebendige Porträtbüste des Bildhauers Ward von
Niehaus und die zwei zur Ergänzung des Hunt-
Denkmals bestimmten Statuen in Bronze Archi-
tektur: und ^Malerei und Skulptur von French
wohlthuend auf. p. Hann
BERLINER AUSSTELLUNGEN
Im Kunstsalon Keller & Reiner die Neo-Impressio-
nisten. Sie haben sich um einen neuen Künst-
ler Charles Angrand vermehrt, der nebulöse
Köpfe ä la Seurat und Carriere, aber ohne deren
Feinheit und spirituelle Note in einem Hauch von
grauer Farbe zeigt. Von den übrigen treten wie-
der Signac und Rysselberghe als die kräftigsten
Talente hervor. Signac sieht den heiteren Sommer-
tagen in und auf der Seine die duftigsten Reize
ab und wendet die für den Neo-Impressionismus
charakteristische Tüpfelei nicht sklavisch an. Ein Bild
von ihm, >Fest im Hafen; mit farbigen, von unsicht-
baren Schiffen herrührenden, am Bildrand flattern-
den Flaggen und blauem Wasser, mit sonnenbe-
leuchteten Häusern im Hintergrunde und sonniger
Luft darüber, empfiehlt die Richtung in jeder Hin-
sicht; aber selbst ein so geschickter Künstler wie
Rysselberghe bleibt erfolglos, wenn er dem nächt-
lichen Dunkel mit dieser Tüpfelei eine grössere
Transparenz zu geben versucht, während Luce,
der Hochöfen in der Nacht malt, und schon an
und für sich keine besonders interessante Persön-
lichkeit ist, mit solchen Versuchen direkt langweilig
wird. Stärker als vor zwei Jahren tritt dieses Mal
Cross hervor, der figurenreiche Feste im Grünen ,
Badescenen, Felsen im Meer, Wracks und der-
gleichen malt. Aeltere Bilder von ihm bezeugen
seine Herkunft als Maler von Manet. Er geht auf
dekorative Wirkungen aus, wofür die neo-impres-
sionistische Technik recht wirkungsvoll ist, und hat
Momente — sein Grün ist sehr blau — wo er an
Watteau erinnert. Rysselberghe ist am glück-
lichsten mit Dünenlandschaften und einer mit dem
darauf weidenden Vieh im Abendsonnendunst sich
auflösenden Weide. Mit mehr oder minder guten
Arbeiten sind hier ferner der Landschaftsmaler Otto
Feld, der Porträtmaler O. Götze und der Bildhauer
Max Levi vertreten. — Auch bei Keller & Reiner
hatte alsdann die Berliner Vereinigung „Freie Kunst"
ihre sechste Ausstellung. Man hätte ein Recht, sie
belangslos zu nennen, wenn Martin Brandenburg
nicht mitwirkte. Obgleich selbst seine besten Werke
noch keinen ganz reinen Genuss gewähren, gehört
Brandenburg doch zu den wenigen Berliner Künst-
lern, die Interesse erregen und verdienen. Seine
Kunst hat durch eine seltsame Mischung von rea-
listischen Elementen und phantastischen Absichten
etwas Verworrenes, aber zugleich auch einen ge-
wissen Reiz. Wer so fest und sicher die Natur zu
packen weiss, wie er es in glücklichen Augenblicken
thut, hätte eigentlich nicht nötig, nach ausserhalb
der Naturdarstellung liegenden Wirkungen zu spähen.
Aber da Brandenburg auf diese einmal nicht ver-
zichten zu wollen scheint, muss er genommen
werden, wie er ist. Sein Bild Waidesschauer:
giebt bereits im landschaftlichen Teile vollkommen
die Stimmung wieder, die den einsamen Wanderer
zwischen den dunklen Stämmen zuweilen mit un-
heimlicher Stärke überfällt. Durch das Erscheinen
eines mit Rosengewinden gezäumten, reiterlosen
Rosses, vor dem sich zwei menschenähnliche, mit
Eulenflügeln versehene Fabelwesen mit grossen
erschrockenen Augen in dichtes Gestrüpp flüchten,
wird die Stimmung nur phantastischer, aber nicht
george hitchcock derlobgesang
«•der maria««
tiefer. Vielleicht ist das Bild etwas zu schwer und
dunkel in der Farbe; aber es bezeugt das eindring-
lichste Studium und Erfassen der Natur, und hat
auch in der Komposition eine schöne geschlossene
Wirkung. Daran fehlt es bei dem zweiten Werke
Brandenburgs >Der Verführer« umso mehr. Man
sieht eigentlich zwei Bilder. Auf der linken
Hälfte ein mittelalterlich gekleideter Jüngling, ein
rotes Harfenspiel im Arm, auf einem Wiesenplan;
auf der anderen ein See, an dessen hinterem
Ufer sich eben ein weissgekleidetes weibliches
Wesen anschickt, ins Wasser zu steigen, um den
von weit her lockenden Tönen zu folgen. Das ist
eine Illustration, aber kein Bild; denn hier ist nichts
bedingt, nichts Notwendigkeit, nirgends Zusammen-
hang. Mit frischen Landschaftsstudien und einem
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eines im knallroten Golf kostüm, die scharfe Charak-
teristik fast bis zur Karikatur übertreibend, ein die
altenglischen Porträtmaler nicht ungeschickt nach-
ahmendes Damenporträt von Ferraris und die
übliche Anzahl von unbedeutenden charming
Damen in weiss und rosa. Für ein derartiges
Doppelbildnis von sich selbst und ihrer Schwester
erhielt die Tochter des alten Akademiepräsidenten
Hart den Dodge-Preis.
Schwach wie gewöhnlich ist die Bildhauer-
Abteilung beschickt. Doch fallen eine ungemein
lebendige Porträtbüste des Bildhauers Ward von
Niehaus und die zwei zur Ergänzung des Hunt-
Denkmals bestimmten Statuen in Bronze Archi-
tektur: und ^Malerei und Skulptur von French
wohlthuend auf. p. Hann
BERLINER AUSSTELLUNGEN
Im Kunstsalon Keller & Reiner die Neo-Impressio-
nisten. Sie haben sich um einen neuen Künst-
ler Charles Angrand vermehrt, der nebulöse
Köpfe ä la Seurat und Carriere, aber ohne deren
Feinheit und spirituelle Note in einem Hauch von
grauer Farbe zeigt. Von den übrigen treten wie-
der Signac und Rysselberghe als die kräftigsten
Talente hervor. Signac sieht den heiteren Sommer-
tagen in und auf der Seine die duftigsten Reize
ab und wendet die für den Neo-Impressionismus
charakteristische Tüpfelei nicht sklavisch an. Ein Bild
von ihm, >Fest im Hafen; mit farbigen, von unsicht-
baren Schiffen herrührenden, am Bildrand flattern-
den Flaggen und blauem Wasser, mit sonnenbe-
leuchteten Häusern im Hintergrunde und sonniger
Luft darüber, empfiehlt die Richtung in jeder Hin-
sicht; aber selbst ein so geschickter Künstler wie
Rysselberghe bleibt erfolglos, wenn er dem nächt-
lichen Dunkel mit dieser Tüpfelei eine grössere
Transparenz zu geben versucht, während Luce,
der Hochöfen in der Nacht malt, und schon an
und für sich keine besonders interessante Persön-
lichkeit ist, mit solchen Versuchen direkt langweilig
wird. Stärker als vor zwei Jahren tritt dieses Mal
Cross hervor, der figurenreiche Feste im Grünen ,
Badescenen, Felsen im Meer, Wracks und der-
gleichen malt. Aeltere Bilder von ihm bezeugen
seine Herkunft als Maler von Manet. Er geht auf
dekorative Wirkungen aus, wofür die neo-impres-
sionistische Technik recht wirkungsvoll ist, und hat
Momente — sein Grün ist sehr blau — wo er an
Watteau erinnert. Rysselberghe ist am glück-
lichsten mit Dünenlandschaften und einer mit dem
darauf weidenden Vieh im Abendsonnendunst sich
auflösenden Weide. Mit mehr oder minder guten
Arbeiten sind hier ferner der Landschaftsmaler Otto
Feld, der Porträtmaler O. Götze und der Bildhauer
Max Levi vertreten. — Auch bei Keller & Reiner
hatte alsdann die Berliner Vereinigung „Freie Kunst"
ihre sechste Ausstellung. Man hätte ein Recht, sie
belangslos zu nennen, wenn Martin Brandenburg
nicht mitwirkte. Obgleich selbst seine besten Werke
noch keinen ganz reinen Genuss gewähren, gehört
Brandenburg doch zu den wenigen Berliner Künst-
lern, die Interesse erregen und verdienen. Seine
Kunst hat durch eine seltsame Mischung von rea-
listischen Elementen und phantastischen Absichten
etwas Verworrenes, aber zugleich auch einen ge-
wissen Reiz. Wer so fest und sicher die Natur zu
packen weiss, wie er es in glücklichen Augenblicken
thut, hätte eigentlich nicht nötig, nach ausserhalb
der Naturdarstellung liegenden Wirkungen zu spähen.
Aber da Brandenburg auf diese einmal nicht ver-
zichten zu wollen scheint, muss er genommen
werden, wie er ist. Sein Bild Waidesschauer:
giebt bereits im landschaftlichen Teile vollkommen
die Stimmung wieder, die den einsamen Wanderer
zwischen den dunklen Stämmen zuweilen mit un-
heimlicher Stärke überfällt. Durch das Erscheinen
eines mit Rosengewinden gezäumten, reiterlosen
Rosses, vor dem sich zwei menschenähnliche, mit
Eulenflügeln versehene Fabelwesen mit grossen
erschrockenen Augen in dichtes Gestrüpp flüchten,
wird die Stimmung nur phantastischer, aber nicht
george hitchcock derlobgesang
«•der maria««
tiefer. Vielleicht ist das Bild etwas zu schwer und
dunkel in der Farbe; aber es bezeugt das eindring-
lichste Studium und Erfassen der Natur, und hat
auch in der Komposition eine schöne geschlossene
Wirkung. Daran fehlt es bei dem zweiten Werke
Brandenburgs >Der Verführer« umso mehr. Man
sieht eigentlich zwei Bilder. Auf der linken
Hälfte ein mittelalterlich gekleideter Jüngling, ein
rotes Harfenspiel im Arm, auf einem Wiesenplan;
auf der anderen ein See, an dessen hinterem
Ufer sich eben ein weissgekleidetes weibliches
Wesen anschickt, ins Wasser zu steigen, um den
von weit her lockenden Tönen zu folgen. Das ist
eine Illustration, aber kein Bild; denn hier ist nichts
bedingt, nichts Notwendigkeit, nirgends Zusammen-
hang. Mit frischen Landschaftsstudien und einem
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