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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Tschudi, Hugo von: Die Jahrhundert-Ausstellung der französischen Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0057

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DER FRANZÖSISCHEN KUNST <£g-*-

immer Ausdruck des Stofflichen als Lokal-
farbe, Mittel der Raumwirkung als Luftton. Und
ebenso ist sein malerischer Vortrag, auf den sich
der beliebte Atelierjargon wie „lustig, witzig,
amüsant" nicht anwenden lässt, er ist ehr-
lich und ernst im höchsten Grad, immer nur
Ausdrucksmittel nie Selbstzweck. Der gleiche
künstlerische Ernst lebt noch weiter in den
Impressionisten, Malern, die, um weniges
jünger als Manet, mit ihm zusammen, An-
regung empfangend und wiedergebend, dem
selben Ziele zustrebten. Dieses Ziel war
und ist der Naturalismus. Denn der Natura-
lismus ist ein Ziel kein Mittel. Ja man kann
sagen, das Ziel wird um so sicherer erreicht,
je weniger naturalistisch die Mittel sind.
Die plastisch aufgesetzten echt vergoldeten
Schmuckstücke auf venezianischen Quattro-
centobildern wirken unendlich weniger natura-
listisch als ein aus ein paar grauen und gelb-
lichen Tönen zusammengestrichener Goldreif
auf einem Manet'schen Bild. Von Jahrhundert

(Ein Schluss-Aufsatz

zu Jahrhundert, manchmal von Jahrzehnt zu
Jahrzehnt steckt der Naturalismus seine Ziele
höher und zwingt die Kunst, neue Ausdrucks-
mittel zu schaffen, die um so feiner und
durchgeistigter werden, je raffinierter die
Probleme sind. Man vergleiche eine Landschaft
von Ruisdael mit einer von Monet und man
wird ohne weiteres zugestehen, dass mit dem
Grad treuer Naturwiedergabe, wie sie der Hol-
länder übt (und wie „übersetzt" erscheint
schon diese neben einer Dürer'schen Natur-
abschrift), die atmosphärischen Probleme eines
Impressionisten-Bildes nicht entfernt zu lösen
waren. Sicher ist das Erkennen solcher
Natureindrücke und die Schaffung der Zeichen,
durch die sie uns übermittelt werden, eine
bei weitem grössere Phantasiethat, als alles,
was eine sogenannte Gemüts- und Phantasie-
kunst zu bieten vermag, die aber gerade des-
halb, weil sie auch bei dem Beschauer eine
künstlerische Phantasiethätigkeit verlangt, so
wenig verstanden wird.

Igt im nächsten Heft)
 
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