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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Stein, Philipp: Max Klein
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0104

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~3-Ss2> MAX KLEIN -CSs^

geschaffen. Monumental- wie Genreplastik
sind sein Gebiet und im Porträtfach gilt er
in Berlin wohl als der erste. Gesammelte
Kraft spricht aus seinen Werken und an-
mutiger Liebreiz, lebendiges Naturstudium,
schlichte Natürlichkeit und gleichzeitig die
Keuschheit der Poesie. Denn es steckt in
Max Klein ein Stück Poet neben all seiner
behaglich stillen Weltweisheit, die ihn mit so
gutem Humor erzählen lässt von all den bitter
schweren Kämpfen seiner ersten Jahre und
den Zurücksetzungen, die er auch später oft
erfahren, nachdem er schon mit seiner ersten
grossen Arbeit sich die grosse und meist ein-
flussreiche Schar der ewigen Rauch-Epigonen
zu Gegnern gemacht hatte. Offizielle Auf-
träge sind daher unter der Herrschaft der
Staatskunstkommission kaum jemals an ihn
herangetreten. Der Schöpferdrang in ihm
bedarf freilich nicht erst der Anregung durch
einen Auftrag Er schafft unbekümmert um
die Frage der Verwertung freudig all das,
wozu es ihn treibt. So das soeben erst voll-
endete grandiose Werk des Simson, den er
in dem Moment darstellt, bevor er die Ketten
sprengt. In letzter Zeit ist wohl kaum eine
gleich gigantische Gestalt und mit solch emi-
nenter Kraft und Eindringlichkeit des Natur-
studiums geschaffen worden. Das ungemein
Massige dieser Statue ist dabei von allen
Seiten zu vollster Harmonie gebracht; der
seelische Ausdruck des leicht gesenkten Kopfes
ist ergreifend in seiner stillen Resignation.
Die Statue, die wir in nebenstehendem Bilde
nach dem Thonmodell im Atelier Kleins vor-
führen können, wird für Rudolf Mosses Kunst-
sammlung in Bronze ausgeführt werden.

Die Herbheit und die starke geistige Inner-
lichkeit, die Klein seinen Gestalten zu geben ver-
mag, zeigt vollauf die Figur des Anachoreten
(s. S. 98), die wie ein Wahrzeichen eine Nische
an Kleins Villa im Grunewald ausfüllt. Die
kraftvolle Eigenart Kleins hatte auch Meister
Wallot erkannt, als er ihn dazu berief, für das
Südportal des Reichstagsgebäudes die „Kraft"
(s. S. 92) zu versinnbildlichen. Mit gewaltiger
Pranke umkrallt der deutsche Leu die er-
rungene Beute, die Elsass-Lothringen dar-
stellende Kugel. In bewusster, geruhigter
Kraft bewacht er die Insignien des deutschen
Kaisertums. Den Schöpfer des deutschen
Reiches hat Klein in zwei Statuen dargestellt —
eine, die im Grunewald auf dem Bismarck-
platz sich erhebt, zeigt den „Gutsherrn von
Friedrichsruh": neben dem Landedelmann
mit dem grossen Schlapphut kauert Tyras.
Kopf, Erscheinung, Haltung giebt erschöpfend
die Eigenart des Alten aus dem Sachsenwalde

wieder. Kleins zweite Bismarckstatue stellt
den eisernen Kanzler dar, in ganzer Wucht
und Lebensfülle, leicht auf den Pallasch ge-
stützt. Der Kopf ist mit psychologischer Fein-
fühligkeit behandelt. Mit ihrem grandios wir-
kenden Unterbau erhielt diese Statue (s. S. 99)
einen zweiten Preis bei der Berliner Denkmals-
Konkurrenz, die dann bekanntlich mit der Ver-
gebung des Auftrags an Begas endete.

Wie in diesem Bismarckkopf hier so hat
Klein in zahlreichen Büsten seine eindring-
liche Porträtierungskunst erwiesen. Ihm ge-
lingt dabei ebenso das stark Männliche, be-
deutend Geistige, wie die weibliche Anmut
und zarte Empfindung. Als Beweis sei einer-
seits die vollendete Manteuffel-Büste in der
Ruhmeshalle (Abb. a. S. 25 d. XIV. Jahrg.),
andererseits der wie eine Idealbüste wirkende
Kopf seiner Gattin Eva, einer Tochter von Ernst
und Hedwig Dohm, hervorgehoben (s. S. 98).
Dieser fesselnd schöne Kopf erscheint in ge-
treuester Verlebendigung, echt in jedem Zuge,
mit völligster Erschöpfung der Persönlichkeit,
und gleichzeitig hat der Künstler hier ein Werk
geschaffen, das losgelöst von aller Porträt-
bedeutung wie ein selbständiges, freies Kunst-
werk wirkt — so stark und bezwingend schön,
dass Kaiserin Elisabeth diese Marmorbüste
für eins ihrer Schlösser erwarb.

Auch unsere Wiedergabe lässt erkennen,
dass Klein diese Büste getönt hat. Wie er
all seine Marmorwerke in der Detailarbeit
selbst durchführt, so hat er auch für die
Tönung seine eigene Technik. Er tönt hier
zuerst die Haare, das Brusttuch und den
Augapfel mit Oelfärbe — dann erhalten die
Lippen eine ganz leise, lichte Tönung, eben
nur gerade so viel, dass die Lippenhaut nun
wirklich weicher und durchsichtiger erscheint
als die sonstige Haut. Dann muss darauf
geachtet werden, ob die Haarlinien auf der
Stirn auch leicht genug erscheinen, ob infolge
der Tönung die Partie um die Augenbrauen
nicht gelitten hat, ob das Haar im Hinterkopf
nicht zu hart am Halsansatz erscheint und
so fort. Freilich auch wenn Klein seine Ar-
beiten nicht tönt, erreicht er jene Verleben-
digung des Marmors, dass man darunter das
frische Leben pulsieren zu sehen glaubt. Solch
unmittelbar wirkende Lebenswahrheit atmet
auch sein „Mädchen am Brunnen" (s. S. 97),
das, in Marmor ausgeführt, vor der National-
galerie zu Berlin Aufstellung gefunden hat.
An das Beckenrund lehnt und stützt sich wie
zur Rast das ermüdete Mädchen, die den
Krug — auf der Abbildung nicht sichtbar -
zur Seite gestellt hat. Wie in Ruhe gelöst er-
scheinen die Glieder des herrlichen Frauen-

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