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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Rosenhagen, Hans: Wilhelm Leibl
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0191

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WILHELM LEIBL <Ö=s=^-

von Ramberg. Im Jahre 1869 stellte er zum
erstenmale im Münchener Glaspalast aus. Ein
genrehaft aufgefasstes Doppelbildnis seiner
Ateliergenossen Rud. Hirth und Karl Haider
bei Betrachtung und Besprechungeines Kupfer-
stiches, auf blondes Grau gestimmt, und ein
Porträt der Frau Gedon, bei dem man den
Einfluss Rembrandts zu spüren meinte, und
das ein Jahr später im Pariser Salon die
Medaille erhielt. Auf derselben Münchner
Ausstellung hatten die dort gezeigten Werke
Courbets einen unverlöschlichen Eindruck
auf Leibi gemacht, weil er in ihnen einen
Künstler kennen lernte, der wie er, sich an
der Darstellung der einfachen Natur genügen
Hess und bei deren Beobachtung den innigen
Zusammenhang der Farben fand, der allein
die gute Malerei ausmacht. Ein Aufenthalt
in Paris, der leider durch den ausbrechenden
Krieg ein schnelles Ende fand, genügte,
um den jungen Maler in seiner Anschauung
und seinem Können reifen zu lassen. Als
Hauptwerke dieser Pariser Zeit gelten das
Bild einer phlegmatisch mit einer langen
holländischen Thonpfeife auf einem Divan
gelagerten „Cocotte" und die breit gemalte

WILHELM LEIBL del.

Studie einer alten „Pariserin". In München,
wohin der Künstler zunächst zurückkehrte,
schloss sich ihm Wilhelm Trübner, der „die
breite Manier" Leibis selbständig weiter ent-
wickelt hat, als Schüler an; im Jahre 1872
aber schon zog sich Leibi, verstimmt durch
die feindliche Gesinnung, die ihm von einer
gewissen Seite in München bezeigt wurde,
aufs Land zurück, wo er nacheinander in
Grasolfingen, Schondorf, Berbling und zuletzt
in Aibling in Gemeinschaft mit seinem treuen
Freunde Sperl unter den Bauern gelebt hat.
Dort, abseits vom Lärm und Geschmack des
Tages, entstanden neben vielen ausgezeich-
neten Bildnissen und kleineren Bildern die
Hauptwerke Leibis „Die Dorfpolitiker",
mit den fünf Bauern, von denen einer den
übrigen die Zeitung vorliest, das Bild „In
der Kirche", mit den drei andächtigen Bäue-
rinnen und die beiden in einer Schenke sich
über einen erhaltenen Brief besprechenden,
festlich geputzten „Dachauerinnen". In allen
seinen Werken zeigt sich Leibi als ein ebenso
hervorragender Zeichner, wie als ein Maler
von so ursprünglicher Begabung, dass auch
das Unscheinbarste in der Natur sich ihm
als ein malerisches Ereignis offenbart. Seit
Holbein hat es in Deutschland keinen so
rücksichtslos wahren und zugleich feinen
Maler gegeben. Wenn es auch möglich wäre,
gleiche Wirkungen mit weniger Aufwand von
Kraft und Mühe zu erreichen, als sie Leibi
z. B. in seinem bis ins äusserste durch-
gebildeten Werke „In der Kirche" erzielt,
so hat der Künstler als erster doch gezeigt,
wie weit ein Genie im Fertigmachen gehen
darf, ohne langweilig zu werden oder an die
Photographie zu erinnern. Hierdurch und
durch seine manierlose, kräftige Art, mit der
er beweist, dass gute Malerei auch ohne
Nachahmung der Alten möglich sei, hat er
eine grosse erzieherische Wirkung auf ver-
schiedene deutsche Künstler ausgeübt, von
denen nur Trübner, Liebermann, Karl Haider,
Rud. Hirth du Frenes, Hans Thoma, Joh. Sperl
und Eysen als die wichtigsten genannt seien.
Und er gehört zu den wenigen Künstlern,
die dem Auslande einen vorteilhaften Begriff
von deutscher Malerei beigebracht haben.
Nach keiner Seite hin war je ein Künstler
besser disponiert als er. Seine künstlerischen
Eigenschaften waren aufs innigste verbunden
mit einem fabelhaften handwerklichen Können.
Was er sah, vermochte er zu malen; weil er
jedoch nur malte, was er sah und was ihm
zum Malen stille hielt, blieb der Umfang
seiner Motive beschränkt, erscheint zuweilen
auch die Darstellung des Lebens in seinen

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