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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Rosenhagen, Hans: Wilhelm Leibl
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0194

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-ir*ö> WILHELM LEIBL C^^-

Bildern zu unbewegt, fast stillebenartig. Dass sonders persönlich gemalt ausgeben — die
ihndieKunstgeschichteeinstweilenals„Bauern- „Manieren", wenn man bei einem so objek-
maler" registriert hat, darf kein Grund sein, tiven Künstler davon sprechen darf, gehen
ihn zu unterschätzen. Das Gegenständliche zu auffällig durcheinander, als dass man ver-
seiner Bilder war durch sein Leben zwischen suchen dürfte, zeitliche Grenzen zu ziehen,
diesen Naturmenschen bedingt; es hat mit Leibi, der bis zur Unglaublichkeit intim sein
der Art seiner künstlerischen Kultur nichts konnte, hat zwischendurch Bilder und be-
zu thun, ausser, dass man es als Zeugnis sonders Bildnisse gemalt, die durch eine
dafür benutzen kann, dass die aufgewendete breite, fast flächige, stürmische Malweise
Kunst, nicht der Gegenstand, den Wert eines Bewunderung erregen. Er war eben der
Kunstwerks ausmache. Wenige Fürsten sind geborene Maler, unter dessen Händen alles
von einem so grossen Künstler gemalt worden, zu hoher Kunst wird. Die Zahl seiner Werke,
wie Leibis Bauern. wenigstens der in seinem Sinne fertigen, ist

Es ist fast unmöglich, den Entwicklungs- nicht sehr gross; aber Studien und Zeichnungen
gang des Künstlers aus seinen Werken heraus- scheinen mehr vorhanden, als man bisher
zulesen. Mögen ihn in seinen ersten Bildern geahnt hat. Der Verstorbene spielte trotz
noch Van Dyck und Rembrandt, bei einigen Menzel, der geistreicher, aber doch weniger
späteren Courbet beeinflusst haben, mag vornehm in seiner Kunst ist, die Rolle in
man sich bei den 1879 entstandenen „Dorf- Deutschland, die Courbet in Frankreich ge-
politikern" an holländische Vorbilder, bei spielt. Er wagte es wie dieser, nur selbst-
dem drei Jahre später gemalten Bilde „In der gesehene Wirklichkeit zu geben und auf alle
Dorfkirche" an Holbein erinnern wollen, Erzählung im Bilde zu verzichten. Er war so-
mag man die „Dachauerinnen" als für be- gleich „de la nature ä la peinture" gekommen

und ist nach Holbein der bedeu-
tendste realistische Maler, den
Deutschland hervorgebracht hat,
eine Kraftnatur, an der sich nicht
nur seine eigene Zeit aufgerichtet
oder doch wenigstens gestärkt hat,
die auch künftigen Geschlechtern
als Führer dienen kann. Wenn
auch gewisse Seiten des deutschen
Wesens bei ihm nicht entwickelt
waren, so hat seine Kunst doch
durch ihre Wahrheit, Gesundheit,
Treue, Ehrlichkeit und Beschei-
denheit einen so bezeichnenden
deutschen Typus, dass seine Art
des Schaffens sich mit dem Be-
griff deutsche Kunst vollkommen
deckt. Der Künstler hat den
glänzenden Erfolg seiner Berliner
Ausstellung von 1895, der sich
im Jahre 1899 in der Ausstel-
lung der Berliner Secession noch
einmal erneuerte, nicht mehr
lange geniessen können. Er hat
die Erde, von der er alle seine
Kraft nahm, verlassen, um in die
Reihe der unsterblichen grossen
Meister zu treten, auf die nicht
allein ihr Volk, sondern die ganze
Welt mit Bewunderung und Ver-
ehrung blickt.

Hans Rosenhagen

W ILHELM LEIBL pinx.

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