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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Wolter, Franz: Fritz von Uhde's neuestes Werk
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0196

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-5-S^> FRITZ VON UHDE'S NEUESTES WERK -CÖs^

WILHELM LEIBL de!.

standen sein will. Hineinleben und Hinein-
denken muss man sich in solche Natur und
ihre geschaffene Welt und um ihr gerecht zu
werden, bedarf sie einer psychologischen Er-
klärung. Ist doch alle und jede gesunde
moderne Kritik eigentlich nichts anderes als
Psychologie, da sie ja vom Künstler ausgeht,
vielmehr ausgehen muss. Sehen wir also zu,
wie und was Uhde's Welt ist und welche
Wirkung sie auf uns ausübt — und nun zum
neuesten grossen Werke: Wir sehen auf der
Tafel in den Innenraum des Künstlers Atelier;
soeben ist Modellpause, die Gruppe, welche
der Maler zusammengestellt, hat sich aufge-
löst. Die Modelle bewegen sich frei umher,
eine junge Mutter, den Säugling auf dem
Arme innig ans Herz gepresst, steht vor der
Staffelei des Künstlers, das Bild auf derselben
aufmerksam betrachtend ; zur Seite auf einen
Stab gestützt ein bärtiger, alter Mann und
auf dem Divan und im Hintergrund zwei
geflügelte Kinder; Engel natürlich. Es ist
klar was der Maler wollte. Er hat eine
Gruppe Modelle vereinigt als Motiv zu einem
religiösen Bilde, das Bild selbst, vielmehr
das was der Künstler gemalt, sieht man
nicht, es bleibt dem Beschauer überlassen,
sich das religiöse Werk Uhde's zu denken.
Von rein malerischem Standpunkte aus be-
deutet „Die Ruhepause im Atelier" in den
breiten, sicher angelegten und hingesetzten
Pinselzügen und in dem Streben nach monu-
mentaler Auffassung und Farbe einen weiteren

Fortschritt des Künstlers, das Bild hat etwas
von der Wucht der Tizianischen „Dornen-
krönung" in der Münchener Alten Pinakothek
Neben dieser ernsten tiefen Ruhe spricht
immer wieder die grosse Liebe zur Natur,
für das ärmlichste, einfachste Menschenleben,
ohne dass der Nebengedanke der Verherr-
lichung des Proletariats auftauchen könnte.
Man empfindet hier so recht, wie der Künstler
mit den Gestalten, die erschuf, wirklich lebte,
und weil sie so frisch aus dem Leben heraus-
gegriffen und verkörpert sind, erscheinen sie
auch so menschlich und liebenswürdig. Diese
Gestalten als Vorbilder für ein religiöses
Motiv sind einfache, schlichte Menschen,
die nicht auf dem hohen Kothurn daher-
schreiten, um sich zu zeigen, sie sind weder
geistreich noch psychologisch interessant,
weder Weltverbesserer noch hohe Ideen-
träger; Menschen wie sie der Zufall zu-
sammenführte, wie sie eben da sind, denen
kein Mäntelchen umgehängt zu werden
braucht, um den inneren Kern zu ver-
schönern. Rührende, still beglückende Mütter-
lichkeit spricht aus der leicht vorgebeugten
Gestalt der jungen Frau, sinnige Betrachtung
aus dem als Begleiter erscheinenden hl. Josef,
während die Engel nach Kinderart sich

WILHELM LEIBL plnx.

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