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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Volkmann, Ludwig: Mediziner und Kunstwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0248

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MEDIZINER UND KUNSTWERK -er-

sieht zu stützen, denn Eberlein scheint etwas
nach derartigen, ja leider vielfach beliebten
Grundsätzen zu verfahren; wenigstens ist das,
was Stratz über diese orthopädische Thätig-
keit hinaus als die spezifisch künstlerische
Umwertung der Modelle zu nennen weiss,
verschwindend wenig, es beschränkt sich
eigentlich auf die Verkleinerung und „Ideali-
sierung" der Köpfe, sowie die etwas stärkere
Rundung der Arme. Als Hauptfehler aber
führt er an, „dass der Künstler die Kreuz-
grübchen, diese hervorragende Schönheit des
weiblichen Rückens, nicht stärker hat sprechen
lassen". So merkt er denn gar nicht, welche
grausame Selbstironie darin liegt, wenn er
weiterhin von den charakteristischen Urteilen
spricht, die das Publikum verschiedenerstände
vermutlich vor dem Werke äussern würde:
Der schnoddrige Berliner nur „Kille, kille",
der Leutnant etwa „Niedliche Mächens" und
der Metzger „Wat een Fleesch!" Der
Mediziner aber, so fahren wir fort, sagt schmun-
zelnd: „Spuren überstandener Rhachitis".

Nur nebenbei sei bemerkt, dass Herr Dr. Stratz
dann in echter Laienart den „seelischen In-
halt" der Gruppe dadurch erörtert, dass er
Geschichten von Silen und den Nymphen
erzählt, ja, schliesslich gar den braven Fal-
staff und — Lot und seine Töchter heranzieht.

Ich bin auf die neueste Stratz'sche Schrift
deshalb so ausführlich eingegangen, weil sie
auf das schlagendste darthut, wie weil auch
der Mediziner mit all seiner Kenntnis des
menschlichen Körpers und bei zweifellos
besten Absichten vom Verständnis des eigent-
lichen Wesens der künstlerischen Thätigkeit
abirren kann. Gewiss muss der Künstler,
wie Ernst Brücke einmal sehr drastisch sagt,
die Fehler der menschlichen Gestalt kennen,
wie der Pferdekenner die Fehler in der Ge-
stalt des Pferdes kennt, und dankbar werden
Künstler und Kunstfreunde dem Arzte folgen,
der ihnen hierfür auf Grund besseren Wissens
die Augen schärft. Allein schöne Natur ist
noch kein Kunstwerk und das Korrigieren
von Naturfehlern ist weder für die Schöpfung

NICOLAUS KASS.ATKIN IM KORRIDOR DES BEZIRKSGERICHTS

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