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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Leitgeb, Otto von: Wilhelm Leibl, [2]: persönliche Erinnerungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0297

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-sr-S£> O. v. LEITGEB: ERINNERUNGEN AN W. LEIBL -<S^

zweiter in der Gegend, ein übermütiger Rodler«,
wenn's im Winter gehörige Schneebahn gab, ein
furchtloser, unermüdlicher Jäger. Und 'sein Arm
hatte die Kraft zweier Männer und seine grosse,
schwere Hand einen Griff wie von Stahl. Hackein<■
konnte er, dass niemand diesem Finger seine
Knochen anvertrauen mochte, pflegte er sich doch
dafür zu üben, gerade wie's die Bauernburschen
machten (es hat ihn einmal eine Armsehne ge-
kostet!), und den schweren Steinblock, der dort
hinterm Hause lag, konnte er stemmen und über
den Kopf wegschleudern, als sei's ein Spielball.
In seinem leuchtenden Falkenauge blitzte auch zu-
weilen das Wilde und Feurige des Naturmenschen,
und weil er alles das hatte, und doch wieder wie
ein guter Freund und Nachbar, wie einer ihres-
gleichen, in Joppe und Lederhose unter ihnen sitzen,
mit ihnen plaudern, mit ihnen einen tüchtigen,
schweren Trunk thun konnte, schlössen sie ihn in
ihr Herz, wenn er auch niemals ihre Sprache erlernte.
Denn sein kölnischer Dialekt blieb unverwischt. —
Diese Lebensführung hat nun in ihrer Weise aller-
dings Leibis Kunst der letzten Jahre mitbedingt,
aber doch nicht anders, als jeder Maler eben das
Milieu seiner speziellen Richtung braucht. Es klang
doch sonderbar, sein Porträt unlängst in einem
grossen deutschen Blatte mit der unglücklichen
Unterschrift versehen zu finden 5Der Bauernmaler
Wilhelm Leibi « —!

Das merkwürdigste Gemach in Kutterling ist
die Stube rechts vom niedrigen, schmalen Hausthore.
Eine Bauern-Wohnstube, wie überall üblich, nur ist
CHARLES H.'.FROMUTH FISCHERBOOTE zwischen den kleinen, ursprünglichen Fenstern ein

grosses, breites Atelierfenster ausgebrochen. An
den Wänden laufen Bänke hin, in einer Ecke steht
Volke, aus dem er fürder seine Modelle holte, ein alter Bauernofen. In der andern steht ein
schmucke Bauerndirnen, wie seine berühmte Wabi c, Tisch und ein paar Stühle, als einzige Einrichtungs-
alte Mütterchen, wie seine >Hausfraudie ehrsame stücke. Gegenüber schliesst ein schmales Thürchen
Bürgermeisterin des Oertchens, Jäger, Bauern, eine enge, halsbrecherische Treppe ab, die direkt
Holzknechte und Wilderer. Und so konnte er sich in Leibis Schlafzimmer hinaufführt. In einer Wand-
ganz hineinleben in ihre Seele und ihre Typen nische liegt ein Haufe von Zeitungen, stehen ein
verstehen wie kein anderer; ihren lächelnden Blick, paar leere Weinflaschen, Niederemmeler , der leichte
ihre nachdenklichen Stirnen, den einfachen Lebens- Mosel, den er in streng bemessenem, kleinem
ernst in ihren Augen, ihren Mut, ihre Verschwiegen- Quantum auch in den letzten Wochen seines Lebens
heit, ihre Sorgen und ihren Hu-
mor, ihren Uebermut und ihre
Verschmitztheit, ihre Schlechtig-
keit und all ihre Liebenswürdig-
keit. Und weil er all dies mit
schauender Seele begriffen und
mit höchster Meisterschaft wie-
dergegeben hat, däucht mir, wäre
das Wort doch nicht so leicht-
hin zu gebrauchen als erzählten
seine Bilder nichts«! Ist Stim-
mung und Ausdruck, ist der
Wiederschein des inneren Men-
schen nicht immer ein ganz
grosses Stück >Erzählung«? —
Trotz aller Scheu haben jene
einfachen Menschen mit ihm
verkehrt wie mit ihresgleichen.
Denn trotz aller Bewunderung
und den ihnen unverständlichen
Anzeichen bestaunter Grösse,
deren Echo ihnen hie und da
ans Ohr schlagen mochte, hatte
er für sie vor allem auch die
köstlichen Eigenschaften des Na-
turmenschen. Ein Waldgänger
und Bergsteiger war er, wie der
beste unter ihnen, ein scharf-
äugiger Schütze, wie kaum ein HAfeVEY ELLIS SILHOUETTEN

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