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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Vogel, Julius: Otto Greiner
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0311

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OTTO GREINER

Von Julius V

Wer die
Stras-
sen Leip-
zigs jetzt
durchwan-
dert und das
prosaische

Alltags-
leben mit
seinem ewi-
gen Einer-
lei, die Hast
und Eile des
Geschäfts-
verkehrs
und die gan-
| ze Gross-
stadtluft

otto greiner etwa als

Fremder

zum erstenmale kennen lernt oder die hun-
derte hoher Fabrikessen, die die Umgebung
grossenteils ungeniessbar machen, nachdenk-
lich betrachtet, der mag sich wohl staunend
fragen, wie auf diesem Boden Männer er-
stehen konnten, die nicht als nüchterne
Menschen, sondern als gottbegnadete Künstler
in ihrer Zeit eine führende Rolle über-
nommen haben. Richard Wagner und Max
Klinger, zwei Giganten — wie haben sie in
einem solchen Boden wurzeln können? Wenn
wir mit uns selbst ehrlich sind, so dürfen wir
wohl rückhaltslos bekennen: die heimatliche
Luft, die Scholle, auf der sie geboren wurden,
hat ihre Grösse nicht bedingt. Und wenn wir
diese Beobachtungen, die sich natürlich auch
andernorts machen lassen, fortsetzen und uns
in dem Kreise der jetzigen deutschen Künstler
umsehen, die Leipzig ihre Heimat nennen und
sich weit über das Niveau der Mittelmässig-
keit hinaus zu anerkannter Meisterschaft er-
hoben haben, so dürfen wir wieder bekennen:
das Beste, das Ureigene, was sie sind und
was sie geschaffen, verdanken sie sich selbst.
Zu diesen Künstlern, deren Reihe ziemlich
gross ist Hermann Prell, Arthur Volk-
mann, Karl Seffner gehören u. a. dazu —
zählt auch Otto Greiner, als Zeichner und
Lithograph trotz seines jugendlichen Alters
ein Meister von internationalem Ruf, von den
Freunden der graphischen Künste längst schon
unter die Zahl derer gerechnet, deren Werke
sich nicht wie Eintagsfliegen nur eines flüch-

]el in Leipzig

(Nachdruck verboten)

tigen Daseins erfreuen. Der Popularität eines
solchen Künstlers sind leider aber auch grosse
Schranken angewiesen. Wer Greiner kennen
und studieren will, der darf ihn nicht in den
öffentlichen Galerien, nicht auf den grossen
Ausstellungen suchen — höchstens, dass hier
einmal einige neue Blätter von seiner Hand
zu sehen sind. Der Kunstfreund im engsten,
aber auch besten Sinne des Wortes und die
Kupferstichkabinette und Kunstblättersamm-
lungen sind es, die in ihren Mappen sorgsam
sein Werk aufbewahren — kein Gemälde,
keine Skulptur hat von seiner Künstlerschaft
bisher Zeugnis abgelegt. Dieser intime Cha-
rakter seiner Kunst giebt dem Biographen
mehr, als es bei anderen, in der Oeffentlich-
keit hervortretenden Männern der Fall ist,
das Recht, seinen Entwickelungsgang aufzu-
zeichnen und nach den Bedingungen zu fragen,
die seinem Schaffen die Bahnen gewiesen
haben.

Otto Greiner steht jetzt im zweiunddreissig-
sten Lebensjahre. Er wurde am 16. Dezember
1869 in Leipzig geboren und hat hier auch
seine Jugendjahre verlebt. Freilich eine Jugend
mitwenigFreude und ohnedieglücklichenTage,
die dem Menschen in der Erinnerung an die
Kindheit für alle Zeit lebendig bleiben. Schon

otto grein er lithogr.

Die Kunst ftlr Alle XVI. 13. 1. April 1901.

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