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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Pascent, E. N.: Nordische Kunst in Paris um 1900, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0371

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■*-Sö> NORDISCHE KUNST <ö£-«~

Kröyer hat durch ein höchst ungezwungenes,
ebenso einfaches wie geistreiches Arrangement
alle diese Köpfe dem Beschauer zuzuwenden
gewusst, ohne dass auch nur ein einziger aus
dem Bild heraussähe. Er hat vorn rechts
knapp an den Rahmen einen der Gelehrten
hingestellt, der, die Kreide in der Hand, an
einer nur in der äussersten Verkürzung ge-
sehenen Tafel den übrigen einen Beweis oder
eine Rechnung demonstriert. Nun müssen
alle, schon aus Höflichkeit gegen den Fest-
redner, den Kopf nach vorn drehen, und sie
thun es nicht nur aus Höflichkeit, sondern
auch aus Interesse; mit gespannter Aufmerk-
samkeit folgen sie alle dem Vortrag. Kein
einziger sitzt da, um sich porträtieren zu
lassen, jeder hört nur auf den Redner. Wie
ist jedes einzelne Gesicht in seiner geistigen
Arbeit charakterisiert! wie ist alles Schema-
tische in der Gruppierung, jede ungeschickte
Parallele vermieden! Wie zwanglos und klar
sind die Massen verteilt, in vertikalen Schich-
ten durch die hohen Armleuchter, die auf
dem Tisch stehen, in horizontalen durch die
Abwechslung zwischen Stehenden und Sitzen-
den. — Was für ein Weg der Kunstentwick-

lung von den ersten holländischen Regenten-
Stücken, auf denen die Köpfe, noch ohne
Körper, in mehreren durch Striche getrennten
Reihen einer neben dem andern hingemalt
sind, bis zu dieser durch und durch belebten
Komposition ! Dass Kröyer diesmal nicht, wie
auf der „Komiteesitzung", etwa mit den Effek-
ten der double lumiere gearbeitet, dass er
auch auf die Wirkung des Kerzenlichts allein
keinen besonderen Nachdruck gelegt hat, ist
eine weise, künstlerische Beschränkung. Allzu
genaues Eingehen auf die Details der Be-
leuchtung hätte die Einheitlichkeit der Kom-
position gefährden, die individuelle Durch-
führung jedes einzelnen Porträts zurück-
drängen müssen. In dem, was er aus reifster
Künstlerschaft gegeben, und in dem, was er
sich klug versagte, hat er sich gleichmässig
als ein Meister bewährt, der mit diesem
Werk nicht nur den eignen Ruhm vermehrt,
sondern auch für die Kunst seines Volkes
dargethan hat, dass sie, bei aller Intimität
und bei aller Liebe fürs Stille, Enge, Idyl-
lische, auch grosse Aufgaben sich zu stellen
und für ihre Lösung die rechten Männer zu
finden weiss. e. N. Pascent
 
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