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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Zuckerkandl, B.: Wiener Ausstellungen: Künstlerhaus, Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0373

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<^sö> WIENER AUSSTELLUNGEN -C^£=^

auch in den Kunstausstellungen überlebt. dem Freiheitskampfe in Tirol schildert. Das
Einige grosse Namen machen noch keine Vorwärtsdringen der mit Lanzen bewaffneten
gute Ausstellung. Auch da ist jetzt die Niveau- Bauern bringt das unbesiegbare Ringen nach
höhe des Ensembles massgebend. Um dies Freiheit sehr rhythmisch zum Ausdruck. Ge-
zu erzielen, müsste die Künstler-Genossen- schichtliche Momente wirken malerisch nur,
schaft bei der Zulassung von Bildern ein- wenn sie durch ein starkes Temperament
heimischer Künstler etwas weniger Milde gesehen sind. Und dies ist hier der Fall,
walten lassen. Dieses Jahr fielen denselben Auf die Frage, wie malt man jetzt in Wien,
meist offizielle Aufgaben zu, da das Jubi- bleibt die Künstler-Genossenschaft aber leider
läumsjahr unseres Kaisers manigfache Mo- die Antwort schuldig. Man muss sie sich
mente bot, welche im Bild festgehalten werden in der Secession holen.

sollten. Sie wurden in recht braver, aber Dort ist die zehnte Vorführung von Kunst-
ganz banaler Art gelöst. Und doch hat Roll werken diesmal rein österreichisch. In zarten
vor zwei Jahren in seiner „Grundsteinlegung aber bestimmten Umrissen ist bereits die
der Alexanderbrücke" für derlei Programm- Richtung zu erkennen, welche das Schaffen
bilder eine neue stark koloristische Note ge- der jungen Künstler nimmt und welche man
funden, die, weiter entwickelt, jeden denkenden fortab mit dem Namen „Wiener Schule" wird
Künstler der Gefahr entreisst, ein langweiliger bezeichnen können. Da muss vor allem der
Chronist zu werden. Name Gustav Klimt genannt werden. Der

Gute Porträts der hohen Aristokratie hat Hauptsaal, welcher in einer von Moser glück-
Laszlo gesendet. Er entwickelt sich immer lieh erdachten Rundung eine Anzahl gleich-
mehr zum vornehmen Salon-Psychologen, gerahmter Porträts birgt, trägtauf der gegen-
Noch interessanter sind die kräftigen, lebendig überliegenden Wand Klimts für die Univer-
individuellen Physiognomien Pochwalski's. sität gemaltes Deckenbild „Die Medizin".

Egger-Lienz, der in München gebildete Dieses Werk hat vielfach, bei der Kunst ganz
Tiroler Künstler, frappiert durch die wuchtige fernstehenden Kreisen, Missfallen erregt. Der
Dramatik, mit welcher er eine Episode aus Medizin wurde sogardie Ehre einer Parlaments-
Interpellation zu Teil. Wohl nur,
weil Klimt mit dem altgewohnten
allegorischen Firlefanz bricht und
an dessen Stelle eine Symbolik
setzt, die aus rein malerischer
Konzeption entsprungen, der be-
quemen Banalität träger Gewohn-
heits-Menschen nicht enspricht.

In der Mitte des unteren Bildes
erhebt sich dieGestaltderHygiea.
Ihr kranzumstrahltes Haupt trägt
hartverschlossene Züge, sie ant-
wortet nicht der bangen Frage,
welche die verzweifelte Mensch-
heit an sie richtet. Im Aether
schwebend zieht der Zug der
Leidenden; in ihrer Mitte, laut-
los mit ihnen, der grinsende
Tod. Qual, Ergebenheit, Hoffen,
Flehen der Kranken, opferndes
Ringen, Erschöpfung der Gebä-
renden, unbewusstes Lebens-
ahnen der Geborenen, bilden eine
Kette von Empfindungen, die in
ihrer Verschiedenartigkeit doch
durch ein Gemeinsames ver-
bunden werden, durch den alle
durchbebenden Schmerz.

Vielleicht hat Klimt zu wenig
das Motiv der Heilung betont,
axel helsted mutter und Tochter welches ja immerhin zu dem Be-

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