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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Kunst im XX. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0594

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-*-5^> DIE MÜNCHENER KUNST IM XX. JAHRHUNDERT -C^^~

Sevilla finde, ob Franz Hals Niederländer Geschichte von 1870 und die Erringung der
Ratsherren oder Holbein Baseler Patrizier- politischen Einheit erst ein würdiger Inhalt ge-
frauen zur Würde von Madonnen erhebe, sichert ward. Ebenso haben in der Malerei eine
immer bleiben sie in hohem Grade an die Reihe bedeutender Meister wie Menzel, Knaus,
Bevölkerung gebunden, in deren Mitte sie Ed. v. Gebhardt, Lenbach, Vautier, Defregger,
lebten. Ferd. Keller, G. Max ganz neue Wege gezeigt.

Wenn aber die Kunst des neunzehnten Jahr- Das wird man aber nie vermeiden können, dass
hunderts sich nur sehr allmählich zu dieser nicht die Historienmalerei durch zwei, nicht
Wahrheit durchgearbeitet und nur schrittweise eine Richtung beherrscht werde, die formale,
das Komödiespielen aufgegeben hat, samt der auf Schönheit abzielende Kunst und die indi-
ewigen Anlehnung an fremde Muster, wie es ihr vidualisierende. Letztere ist offenbar die spe-
von den Kunstgelehrten beständig empfohlen zifisch deutsche, und in ihr haben die Obenge-
wurde, so wird die Kunst des zwanzigsten Jahr- nannten, Menzel an der Spitze, bereits Dinge
hunderts offenbar die Aufgabe zu lösen haben, erreicht, wie sie die Kunst keiner anderen
endlich wirklich national zu werden, was bisher Nation zu stände gebracht hat. Ja selbst die
immer nur einzelnen Meistern gelungen ist. Landschaft hat in der feinen Charakteristik der
Hierzu finden wir aber bereits die schönsten Tages- und Jahreszeiten Fortschritte gemacht,
und fruchtbarsten Ansätze, vorab in der Archi- wie sie bisher noch nirgends, am wenigsten
tekturals derjenigen unterden Künsten,die sich bei den Alten zu verzeichnen sind. Ebenso
am meisten den wirklichen Bedürfnissen der ist in der Architektur eine individualisierende
Nation anzubequemen hat. Nicht minder aber und eine verzierende Richtung aufgetreten,
auch in der Skulptur, der durch die ruhmvolle die so spezifisch deutsch ist, dass wir sie sonst

nirgends zu finden wüssten.

In der weiteren Ausbildung
dieser individualisierenden Ten-
denzen nun dürfte die Zukunft
unserer Kunst und mit ihr die
Aufgaben unseres jetzigen Jahr-
hunderts liegen.

SPLITTER

Den grossen Künstler befriedigt ein
geschaffenes Werk nur so lange, als er
von der Arbeit daran müde ist.
m

Grosse Gedanken sind die Namen,
auf die die grossen Gefühle hören.

Zwischen dem Vorabend eines grossen
Ereignisses und diesem selbst liegen oft
— mehrere Nächte.

Das Erfinden ist für die Kunst so
unwesentlich; es kommt darauf an, zu
entdecken.



Es ist der Zwiespalt vieler Künstler,
dass ihre Seele, wenn sie eben erst be-
fruchtet ward, schon gebären will. Jedes
Werk braucht lange innere Werdezeit.

Unser Charakter ist — die Geschichte
BORIS KUSTODIEF BILDNIS unseres Lebens.

(Münchener Glaspalast 1901) W. v. Scholz

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