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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Henrici, C.: Das Modell: eine Studie für Bildhauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0599

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Staatliche Museen

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-s-5^> EINE STUDIE FÜR BILDHAUER

HANS BEATUS WIELAND DIESCHWYZERINNEN
(Münchener Glaspalast 1901) BEI ROTEN TURM (1798)

arbeitet, in Bezug auf Ernährung weit bedürf- bei der zarten, schwächlicher organisierten
nisloser als der kältere Norden, gewohnt, Frau. Mit einem Wort, es entgeht leichter
wenigstenseinen Teil derKörperformen vielfach „dem Schiffbruch der Form", wie Mantegazza
unbedeckt den Augen preiszugeben, verbindet die Spuren des vorschreitenden Alters zu be-
sieh hier Formenschönheit, lebendiger Aus- zeichnen pflegt.

druck, warmes Temperament und Schauspiele- Das weibliche Modell ist nach dem Ein-

rische Begabung zu einem oft so vollendeten treten des allgemeinen Alterungs- und Ver-

Ganzen, dass der Künstler in der Lage ist, fallprozesses völlig unbrauchbar, da seine

unter dem Brauchbaren das Schönste zu Schönheiten im wesentlichen auf dem Gebiete

wählen. abgerundeter Formen und weicher Linien lie-

Bei den Frauen währt diese Blüte aller- gen, wohingegen das männliche Modell, dessen
dings nur ganz kurze Zeit, dann fällt der Schönheitsbestandteile sich aus Muskelkraft,
Körper rasch, rapide, oft im Zeiträume eines Skelettbau und lebendiger Charakteristik zu-
Jahres ab, und es entwickeln sich geradezu sammensetzen, oft noch an Wert gewinnt,
hexenhafte Erscheinungen mit gelber, perga- selten aber einbüsst. Da Klima und Sitte
mentartiger Haut, erloschenen Augen und nicht unbedingt die ängstliche Bekleidung aller
abschreckender Magerkeit; seltener entsteht Körperformen fordern, findet sich hier weit
die bei uns häufig im Alter auftretende, ebenso seltener die in unseren Verhältnissen fast
hässliche Korpulenz. natürlich zu nennende Schamlosigkeit des

Das männliche Modell bleibt länger als das weiblichen Modells, speziell Aktmodells. Der
weibliche für den Künstler brauchbar. Die Verkehr zwischen Künstler und Modell ge-
jugendliche Frische ersetzt sich bei ihm durch staltet sich infolge der leichtlebigen, lebhaften
charakteristische Schärfe, die zunehmende Natur dieses Volkes hier viel ungezwungener,
Magerkeit und Abgezehrtheit, eine natürliche die Sitte steht in grösserem Einklang mit den
Folge des Klimas, das die Kräfte rasch ver- Forderungen des Künstlers, weshalb er nicht
braucht, zeigt um so deutlicher den Bau des bei jedem Modell unbedingt eine gewisse Ver-
überaus fein gegliederten Skeletts, auch die kommenheit voraussetzen muss.
Lebhaftigkeit hält bei ihm länger stand, als _

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