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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 8
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Geiger, Willi: Stierkampf: ein Essay und sechs Originalradierungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0452

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STIERK AMPF

EIN ESSAY UND SECHS ORIGINALRADIERUNGEN

VON

WILLI GEIGER

M

Madrid, Mai 191 2.
ein Herr! Vergessen Sie, bitte, Ihr liebes
Deutschland und besinnen Sie sich darauf,
dass Sie jetzt in Spanien sind. Freuen Sie sich einmal
herzlich Ihrer uneingeschränkten Freiheit, eines Ver-
kehrs mit sympathischen, geweckten, allem Bureau-
kratischenundDrillhaften abholdenMenschen. Freuen
Sie sich über dieSonne und die Farbenbacchanale,über
das auffallende Eigenbewusstsein jedes Menschen
hier, über die gute Art, nein, über die auserlesene
Aufmerksamkeit der Spanier Ihnen als Ausländer
gegenüber. Kurz, freuen Sie sich über alles, was Sie
zu Hause nicht so selbstverständlich oder überhaupt
nicht vorfinden und die Sache wird Ihnen dann
weniger barbarisch erscheinen. Washeisstbarbarisch?
Denken Sie über die Pferderennen bei uns zu Hause
nach — Quälerei da und dort, wenn Sie wollen.
Auf das Erlebnis kommt es an, auf das Erlebnis
des Auges kommt es mir an, und wenn Sie mir im

Stierkampf immer wieder das Kapitel.über die Pferde
bringen, so muss ich glauben, dass Sie das mehr
interessiert als tausend schönere Vorgänge. Prüfen
Sie alle diese Sentiments genau und Sie werden vor
der Erkenntnis stehen, dass Sie hier richten, wo Sie
zuHauseToleranzüben— aus Gewohnheit. Glauben
Sie, dass der bierverschlingende Süddeutsche einem
Spanier weniger unkultiviert vorkommt als Ihnen
ein Freund der corrida de toros? Sicher ist, dass
der im Trinken massige Spanier dem Münchener
den Mut zum Trinken nicht abstreitet, und es ist
billig, dass Sie ihn beim Torero anerkennen. Rühren
wir lieber nicht an Gewohnheiten. Sie sind be-
gründet durch die geographische Lage, dieden Volks-
charakter bildet und durch die geschichtliche Ent-
wicklung eines Volkes. So erstanden zu Hause,
bei uns phantastische Bierfabriken, um Millionen
durstiger Magen Glück und Frieden zu bringen.
Hier, bei einem Volke, das jahrhundertelang den

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