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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0504

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schichte von Münsterberg hat leider den Eindruck einer
wenig kritischen und oft phantastischen Kompilation
gemacht. Der zweite Band, der inzwischen erschienen
und der Architektur und dem Kunstgewerbe gewidmet
ist, bestätigt wiederum diesen Eindruck. Auch hier ist
wieder die Arbeitsleistung einer äusserst fleissigen Samm-
lung des verstreuten Materials von Einzelforschungen
anderer Gelehrter beinah bewundernswert, aber doch
fehlt es an jeder einheitlich klaren Verarbeitung. Das
einigende Band zwischen dem Auszug aus diesem und
aus jenem Werk ist gewöhnlich eine rasche Hypothese.
Und man sieht es hier wieder, wie wenig ein Werk be-
friedigen kann, das nicht aus einem innern Verhältnis
zu dem erkannten Wert seines Gegenstandes, sondern
mehr aus spekulativer Geschäftigkeit zu erwachsen
scheint. Es ist dann auch nicht die Treue und Zu-
verlässigkeit der Forschung das höchste Ziel, und es
spricht aus noch so vielen Bänden nicht einmal eine Ge-
sinnung.

Ernest Fenollosa tritt uns als ein ganzer und gross-
gesinnter Mann aus seinem umfangreichen Buch ent-
gegen. Dies ist der erfreuende persönliche Eindruck
seines Lebenswerks, das jetzt nach seinem Tode von
seiner Witwe herausgegeben wurde. Er hat, als Ameri-
kaner, Jahrzehnte lang in Japan gelebt und hat sich dort
bei der Neubelebung des Interesses der Japaner selber
für ihre alte Kunst offenbar grosse Verdienste erworben.
Später ist er in seiner Heimat der Hauptpropagator der
ostasiatischen Kunst gewesen, wie er denn auch als
Sammler viel Wertvolles nach Amerika gebracht hat.
Seine Ansichten über Ursprung und Entwicklung der
chinesischen und japanischen Kunst, wie er sie vielfach
in Vorträgen und Vorlesungen ausgesprochen hatte,
wollte er selber zum Buche verarbeiten, und seine vor-
bereitenden Notizen sind denn hier herausgegeben
worden. Aber freilich: dieses Buch erscheint nun zwan-
zig Jahre zu spät. Denn wohl ist alles, was er sagt, von
der schönsten und verständnisvollsten Begeisterung für
die östliche Kultur und auch für ihre Kunstwerke ge-
tragen, wohl sind die einzelnen Epochen dieser jahr-
tausendelangen Entwicklung im grossen richtig und klar
gesehen, wohl ist in vielen Abschnitten der Geist der
Dinge selber lebendiger geworden als in manchen ge-
lehrten Büchern. Allein die einzelnen Resultate und
Angaben stehen durchaus nicht auf der Höhe der heu-
tigen Forschung, und auch die kritische Durchsicht eines
Japaners hat daran wenig geändert. Es ist eine Fülle
von unhaltbaren entwicklungsgeschichtlichen Hypo-
thesen vorgetragen und eine genaue Nachprüfung der
Daten würde dieUnrichtigkeit fast jeder einzelnen Nach-
richt ergeben. Dazu sind endlich die zahlreich beige-
gebenen Tafeln zum grossen Teil nach schlechten Ko-
pien klassischer Werke oder nach minderwertigen
Originalen und fast ausnahmslos in ganz unzulänglicher
Technik hergestellt. Es ist also durch diese Ausgabe
dem Andenken des verdienten Mannes leider durchaus

kein Denkmal gesetzt und unserer Literatur eine nur
wenig erfreuliche Bereicherung gegeben worden.

Das Buch von Glaser ist ein sehr interessanter und
ernst zu nehmender Versuch, das Wesen der ästhetischen
Kultur Ostasiens zu deuten. Für die nämliche Gesamt-
heit einer Kunstwelt, für die Fenollosa mit einiger Klar-
heit die grossen Linien der Entwicklung festlegen wollte,
sucht Glaser die inneren und bestimmenden Normen
des Schaffens und der Wirkung aufzudecken. Er will
das ästhetische Verhalten des Ostasiaten analysieren, in-
dem er es von den philosophischen und ethischen An-
schauungsformen des Ostens ableitet oder doch zu ihnen
in Parallele setzt. So ist im Einzelnen vieles gut gesehen,
und insbesondere in dem Abschnitt, der das Verhältnis
zur Natur beleuchtet, ein wertvoller Beitrag zu unserer
Kenntnis der ostasiatischen Ästhetik gegeben. Die
Glasersche Fragestellung setzt die Autonomie des Ästhe-
tischen voraus und erklärt es nicht aus einer Verfloch-
tenheit mit den höchsten Werten einer Kultur, nicht als
den Ausfluss des religiösen Gefühls einer Menschheit.
Sie fasst es rein als ein Denken und Gestalten. Und so
ergeben sich ihr die gleichwertigen Kategorien des
Wahren, Guten und Schönen, die der Rationalismus der
Aufklärung einst ans Licht gebracht hat. Aber gerade
die ostasiatische Welt sollte beweisen, dass eine solche
formalistische Anschauung unzulänglich ist und dass
ohne die gemeinsame Quelle des religiösen Verhaltens
auch jene Kategorien nicht zu begreifen sind.

So ist denn hier die grosse Gefahr nicht beachtet
worden, die überall da der Untersuchung droht, wo die
Kunst von theoretischen Distinktionen aus statt von
einem festen Untergrund eindeutiger Thatsachen und
womöglich von der anschaulichen Betrachtung bestimm-
ter Werke aus eine Behandlung findet.

Dem Architekten Ernst Börschman, der das Glück
hatte, im Auftrag des Reiches den eingehendsten Studien
über die chinesische Baukunst im Lande selber drei
Jahre zu widmen, hat sich im Lauf seiner Arbeiten die
tiefe und bestimmende Bedeutung des religiösen Mo-
ments für die künstlerische Gestaltung immer klarer
ergeben. Er giebtnun die Ergebnisse seiner Forschungen
in einer Folge umfassender monographischer Darstel-
lungen heraus, für welche die Einheit der religiösen
Kultur und ihres Ausdrucks in der architektonischen
Formung das gemeinsame Thema ist. Der erste Band
ist der Insel P'u to shan gewidmet, die als einer der
vier heiligen Berge der Buddhisten an der südlichen
Küste Chinas aus dem Meer sich erhebt und als ein
Heiligtum der Gottheit Kuan-yin mit ihren zahlreichen
Tempeln und Klöstern ein Ziel der Pilger ist. Sie bietet
den Anlass, an einem typischen Beispiel die überall gül-
tige Anlage dieser Baukomplexe von Tempeln, Höfen
und Wohngebäuden, den Aufbau der Hallen und Häuser
und ihre innere Ausstattung, zugleich aber im natürlichen
Zusammenhang die Zeremonien des Kults und das Leben
der Priestermönche bis zu den Gedächtnismalen der

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