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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 12
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Uhde-Bernays, Hermann: Dantans plastische Karikaturen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0705

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bildhauers anmuten. Man
wünschte sich über diese Be-
suchsstunde in Dantans Atelier
zeitgenössische Feuilletons, im
Stil der „Contes drolatiques"
von Balzac, wünschte durch
sie auch nähere Bekanntschaft
mit so manchen Dargestellten
und Anwesenden, deren Exi-
stenz mit ihrem Verschwinden
aus den Pariser Salons auf-
hörte. Denn zweifellos ist die
Bedeutung des Dantanorama
für die Geschichte der Pariser
Gesellschaft des Bürgerkönig-
tums von grosser Wichtigkeit.
Aber so gering war im Grunde
der Eindruck dieser „Spiele-
reien", dass niemand es für
notwendig hielt, etwas darüber
aufzuzeichnen. Und doch sind
ganz gewiss alle Besucher be-
friedigt fortgegangen, beson-
ders in jenem Regenfrühjahr
1836, wo Dantans Popularität so im Zenith stand,
dass der Besuch in der Rue St. Lazare auf der Liste
der Lohnbedienten die grosse Attraktion bildete,
wie wir vernommen haben.

Wie ein Restaurant oder ein Basar war das
Dantanorama unter Louis Philippe Mode geworden,
und ebenso plötzlich geriet es unter Napoleon in
Vergessenheit. Von den Tausenden, die in der
Gegenwart täglich durch die Rue St. Lazare eilen,
an Dantans Atelierhause vorbei, das jetzt bis unters
Dach mit Bureaux und Läden gefüllt ist, kennt
niemand mehr den Namen des Bildhauers. Er
starb in Baden-Baden, seinem alljährlichen Sommer-
aufenthalt, im Jahre der grossen Ausstellung, 1869,
vergessen von dem undankbaren Paris. Seine Büsten
sind in verschiedenen Sammlungen vereinigt (so in
der Akademie und im Palais des beaux-arts in
Valenciennes), die Sammlung der Karikaturen, aus
welcher bei Lebzeiten des Meisters ein Exemplar zu
erhalten ausserordentlich schwierig war, wurde zer-
streut und manche seiner Chargen wird überhaupt
nicht mehr aufzufinden sein. Man sieht wohl ein-
mal mit der Marke „French pottery" ein Exemplar
der grossen Staatsmänner Britanniens in einer Nische
der Bibliothek oder gar inmitten zweifelhaften
Porzellanes auf dem Kaminsims der Halle eines
englischen Herrensitzes. Erfreulicherweise hat das

J. P. DANTAN, WELLINGTON

Musee Carnavalet in Paris ge-
sammelt, was es nachträglich
noch erreichen konnte, und
nunmehr in der sallc de 1830
eine Anzahl von Dantanschen
Karikaturen vereinigt. Damit
ist ihnen eigentlich ihr Urteil
gesprochen. Sie sind kultur-
historische Erinnerungen.

Mit dieser Sammlung darf
der Besitz des herzoglichen
Hauses in Bayern wetteifern.
Herzog Maximilian hat bei
einem längeren Aufenthalt in
Paris den Entschluss gefasst,
den Theatersaal, welchen er
sich im herzoglichen Schloss
in der Ludwigstrasse in Mün-
chen einrichtete, ganz mit
Dantanschen Statuetten zu
schmücken. So sind zweiund-
dreissig der kleinen Arbeiten
Dantans nach München ge-
langt, und noch heute vor-
handen, eingelassen in die Wand, auf schmale Posta-
mente gestellt. Sie bilden eine ausserordentlich reiz-
volle Dekoration für den Zuschauerraum einer
Bühne, wo fürstliche Dilettanten das heitere Spiel
der französischen Komödie mimten, und der be-
rühmte Dichter des „Kasperl Larifari", Graf Pocci,
seine neueste Puppendramatik zum besten gab. In
diesem Theatersaale des herzoglichen Palais zu
München präsentieren sich die Chargen Dantans un-
gleich vorteilhafter als in der engen Vitrine im Car-
navalet. Ein grosser Vorteil liegt darin, dass fast
ausschliesslich Typen vorhanden sind, die auch
ausserhalb Frankreichs bekannt waren, vor allem
Staatsmänner und Musiker, Wellington und Berlioz
an der Spitze. Für uns, die wir ganz im Zeichen des
grössten Karikaturisten aller Zeiten, des Honore
Daumier, stehen, giebt die Münchener Sammlung
Anlass zu Vergleich und zu eigener Einschätzung

nung'

Dantans.

•&

Es wurde schon erwähnt, dass die Karikaturen
des Bürgerkönigtumes, technisch begünstigt durch
das Aufkommen der Lithographie, von der für die
Verspottung aufs glücklichste geschaffenen Figur
Louis Philippes bestimmt werden. Es bildet sich
nun ein doppeltes Schema aus. Der Kopf, meist im
Profil dargestellt, wird nur in seinen besonders auf-

als

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