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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 1
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Hinz, Marlice: Revolution der Mode
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Kunstauktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0061

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dern umgekehrt, das einmal entfesselte Bein hat den Rock
verdrängt. Aus dem Dunkel und der Knechtschaft langer
Röcke ist das Bein ins Tageslicht hervorgetreten und hat,
von der gewonnenen Freiheit berauscht und im Triumph sei-
ner Linie, begonnen, die Umgebung zu beherrschen und zu
tvrannisieren, in parvenühafter Selbstüberhebung sein Daseins-
recht übertreibend. Diese Übertreibung muß der beginnenden
Reaktion am ersten zum Opfer fallen. Sorgen wir nur da-
für, daß die gewonnene Freiheit dabei nicht ganz verloren
geht. Im Ensemble der Toilette kommt dem freien Bein,
wie dem abgeschnittenen Haar jedenfalls nur die Bedeutung
und Wichtigkeit zu, die der Harmonie der ganzen Erschei-
nung dienlich ist.

Die reduzierte Bekleidung diente in erster Linie dem
Bestreben, die der Mode verloren gegangene Linie wiederzu-
finden. Um sie zu finden, war es notwendig, alle vermeid-
bare Unterkleidung fortzulassen und den Stoff unmittelbar

an den Korper zu modellieren um aus diesem Vorgang die
neue Linie und den neuen Schnitt zu entwickeln, hierauf
baut sich die ganze moderne Mode auf. Die Linie ist heute
wieder erreicht. Ihr zuliebe und in starker Übertreibung ihrer
Wichtigkeit ist ein fanatisch geführter Kampf gegen die na-
türliche Erscheinung der Frau geführt worden, ein Unterfangen,
das ebenso schädliche Folgen mit sich bringen mußte, wie
die früher beliebte Methode, den Körper einzuschnüren.

Die Zeit der Umwälzungen und Unruhen ist hinter uns.
Auch in der Mode kehrt wieder eine allgemein anerkannte
Verfassung und eine strenge Disziplin zurück. Wiederum
werden auch ihre Schöpfungen mehr aus Freude am Dasein
als aus mehr oder weniger zeitgemäßen Theorien und Ab-
straktionen heraus geschaffen. Wiederum kommt die schöpfe-
rische Phantasie zu ihrem Recht und übt auf der neuge-
gebenen Grundlage ihre uralte Absicht aus: die Frau zu
schmücken!

KUNSTAUKTIONEN

Es ist Hochsommer. Selbst die fleißigsten Auktionshäuser
haben endlich Ferien gemacht, und der Beobachter, dem
monatelang von Ziffern in Goldmark und Pfunden, in Dol-
lars, Franken aller Arten und Gulden der Kopf brummte,
darf sich ein wenig besinnen, das Ergebnis all dieser mehr
oder minder siegreichen Schlachten um die Bewertung von
Kunstwerken in seinem Geiste überprüfen.

Was sagen die Ziffern? Sagen sie die Wahrheit? Gibt
der angeblich einzig objektive Maßstab für die ihrem Wesen
nach immer subjektive Bemessung der Preise von Kunst-
werken wirklich eine brauchbare Handhabe? Und wo liegen
die Fehlerquellen, die berücksichtigt werden müssen, wenn
man zu positiven Schlußfolgerungen gelangen will?

Gestehen wir es, daß der Schliche und Fallen nicht
wenige sind, daß recht viel Erfahrung dazu gehört, das Er-
gebnis einer Auktion als solches zu werten, daß oft auch
den Eingeweihten die tatsächlichen Vorgänge undurchsichtig
bleiben, und daß selbst die Lektüre eines Auktionsberichtes
einiges kritisches Verständnis voraussetzt.

Beginnen wir beim letzten, bei dem gedruckten Bericht.
Er kann im allgemeinen nicht mehr geben als die ziffern-
mäßigen Resultate, und von diesen wiederum nur die auf-
fallendsten, das heißt die absolut höchsten Zahlenwerte.
Dagegen verschweigt er die Qualität der Kunstwerke und
verschweigt die Tatsache, daß neben den großen auch kleine
Preise bezahlt wurden. Ein Renoir kostete 200000 fr, aber
man konnte auch für 5000 fr schon einen Renoir haben,
und diese 5000 fr bedeuteten nicht mehr als etwa sechs- bis
siebenhundert Goldmark. Worin bestand der Unterschied?
Vielleicht in der Größe, vielleicht in der Qualität, in dem
Grade der Vollendung, der Epoche, aus der er stammte.
Vielleicht war der eine echt, der andere mit Recht be-
zweifelt. Ein Cranach kostete 30000 Mark, aber ein anderer
war für 300 Mark zu haben. Es war keineswegs eine
Fälschung, aber ein Schul- oder Werkstattbild, und da die
Grenzen fließend sind, trug er trotz allem nicht ganz mit
Unrecht den Namen des Meisters. Eine Zeichnung von

Rembrandt brachte mehr als 20000 Gulden, aber man konnte
auch für ein paar hundert Gulden Zeichnungen kaufen, die
unter Rembrandts Namen versteigert wurden. Die Ge-
lehrten streiten über Echtheit und Unechtheit, Original und
Kopie, Meister- und Schülerhand, und die Sammler tragen
die Kosten. Die Preisunterschiede sind ungeheuer. Es gibt
nicht Richtpreise, wie für marktgängige Bedarfsartikel. Der
Preis eines Kunstwerkes ist so individuell wie das Kunst-
werk selbst. Dem Wissenden nützt es wohl, die Grenzfest-
setzungen zu kennen, die in den Auktionen gegeben werden.
Will er gültige Schlüsse ziehen, so muß er aber Art und
Qualität des Stückes kennen, das zum Ausgebot gelangte,
und er muß zu eigenem Urteil befähigt sein, um einen
Renoir oder einen Rembrandt, der ihm angeboten wird, an
die richtige Stelle der für den Meister gültigen Preisskala
zu setzen.

Dies ist die erste und, wie man zugeben wird, primitivste
Forderung. Schon erhebt sich aber die zweite Frage nach
der Zuverlässigkeit der in den Berichten genannten Ergeb-
nisse der Versteigerungen selbst. Es soll hier nicht von den
Stimmungsfaktoren die Rede sein, die den Verlauf einer
Auktion entscheidend beeinflussen können. Sieht es an der
Börse gerade schlecht aus, so sinkt automatisch die Kauf-
lust. Vom Überangebot an Waren bis zum Zufall schlechten
Wetters können vielerlei kaum berechenbare Faktoren den
Erfolg beeinträchtigen. Anderseits kann das Auktionsfieber
zuweilen Preise erzeugen, die der freie Handel niemals er-
zielen würde. Im Laden handeln die Kunden gewohnheits-
mäßig nach unten, im Auktionssaale handeln sie nach oben,
und es braucht nur zwei von Besitzleidenschaft und Spieler-
lust ergriffene Bieter, um einen Zufalls- oder Irrsinnspreis
zu erzielen, ja es braucht gelegentlich sogar nur einen
solchen Bieter, wenn andere sich finden, die ihn treiben.

Denn auch dies darf nicht verschwiegen werden, daß
allerhand trübe Machenschaften vorstellbar sind, durch die
das Ergebnis einer Versteigerung beeinflußt werden kann.
Man braucht nicht an die Bauernfängermanieren der wilden

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